Die beschlossenen fünf Prozent setzen sich zusammen aus 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für den militärischen Kernbedarf und 1,5 Prozent für‚ verteidigungs- und sicherheitsbezogene Investitionen, einschließlich Infrastruktur und Aufbau industrieller Kapazitäten‘. Auf Grundlage unserer Analyse von Daten des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) für 2024 und des derzeitigen BIP-Niveaus der Bündnispartner könnte das zu zusätzlichen jährlichen Verteidigungsausgaben in Höhe von 1,2 Billionen US-Dollar führen – darunter 400,3 Milliarden US-Dollar für den militärischen Kernbedarf und 804,4 Milliarden US-Dollar für verteidigungsbezogene Investitionen.
Ausgabenziel soll 2035 erreicht werden
Der Zeitplan für die Erreichung dieses Ausgabenziels war vor dem Gipfel unklar. Die Nato-Staaten haben sich nun auf 2035 geeinigt, wobei 2029 eine formale Überprüfung stattfinden soll. Bei den 5 Prozent handelt es sich um eine deutliche Anhebung gegenüber dem früheren Nato-Ziel von 2 Prozent. Für viele Mitgliedstaaten bedeutet das eine beträchtliche Erhöhung. Zur Einordnung: Nur ein Nato-Bündnispartner hat im Jahr 2024 Kernverteidigungsausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des BIP erreicht und vier weitere lagen über 3 Prozent.
Der Fokus liegt auf den Verteidigungsausgaben insgesamt. Es ist aber auch wichtig, wie die zugrunde liegenden Ziele erreicht werden sollen. Der Gipfel bot mehreren Bündnispartnern die Gelegenheit, neue multinationale Projekte zu unterzeichnen und bestehende Kooperationen zu erweitern. Dazu gehört zum Beispiel das von zwölf Bündnispartnern unterzeichnete High Visibility Project, das den Zugang zu einer ausreichenden Versorgung mit verteidigungsrelevanten Rohstoffen erleichtern wird.
Zu den potenziellen Profiteuren der Beschlüsse gehören Anbieter von Verteidigungsgütern, Verteidigungstechnologieunternehmen sowie europäische Infrastrukturunternehmen. Die Botschaft zu verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Investitionen spiegelt das Weißbuch „EU Readiness 2030“ der Europäischen Union wider, in dem die Bedeutung von Infrastrukturen mit doppeltem Verwendungszweck – sowohl zivil als auch militärisch – sowie die Notwendigkeit des Ausbaus industrieller Kapazitäten hervorgehoben wird.
Augenmerk der Nato liegt auf Russland
Das unmittelbare Augenmerk der Nato liegt nach wie vor auf Russland, das derzeit viermal mehr Munition produziert als alle Nato-Mitglieder zusammen. In einer Rede vor dem NATO-Gipfel erklärte Mark Rutte, Generalsekretär des Bündnisses, dass neue Technologien wie Drohnen und künstliche Intelligenz zwar wichtig, der Ausbau der industriellen Kapazität und die Beschleunigung der Beschaffung von Munition sowie Verteidigungsgütern die dringenderen Herausforderungen in diesem Konflikt seien.
Der Fokus der Nato auf Russland könnte dazu führen, dass sich die NATO-Mitglieder bei der Beschaffung stärker auf das Wesentliche konzentrieren als früher, als bei der Aufrüstung mögliche Szenarien für unterschiedliche Konflikte geplant wurden. Eine straffere Beschaffung und eine Umstrukturierung der Industriekapazitäten sind gemeinsame Ziele der jüngsten Verteidigungspläne, zum Beispiel des bereits erwähnten Weißbuchs „EU Readiness 2030“ und der „Strategic Defence Review“ des Vereinigten Königreichs.
Nicht nur ein neues Ausgabenziel, sondern eine strategische Neuausrichtung
Die neue finanzielle Verpflichtung der Nato in Höhe von 5 Prozent des BIP stellt mehr als nur ein Ausgabenziel dar. Sie ist Ausdruck einer strategischen Verlagerung hin zum Wiederaufbau der industriellen und technologischen Basis für eine nachhaltige Verteidigungsbereitschaft. Dies steht im Einklang mit dem Schwerpunkt des Gipfels auf multinationalen Projekten und Infrastrukturen mit doppeltem Verwendungszweck und deutet darauf hin, dass die beträchtliche Erhöhung der Investitionen wahrscheinlich eher in langfristige Aspekte wie Industriekapazitäten, Versorgungsketten und verteidigungstechnische Innovationen fließen wird als in die kurzfristige Beschaffung von Rüstungsgütern.