Provisionsverbot durch die Hintertür?

EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness
Foto: Picture Alliance
Aufsehenerregend war das von der EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness anvisierte generelle Provisionsverbot.

Die Versicherungsbranche wehrt sich mit Rechtsgutachten gegen die neu veröffentlichte EU-Kleinanlegerstrategie und ein damit einhergehendes Provisionsverbot für Versicherungsanlageprodukte. Das Verbot wäre weder zielführend noch rechtens. Gastbeitrag von Jan Philip Nagel, Reed Smith

Am 24. Mai dieses Jahres veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Entwurf zur EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy, kurz RIS), welche umfassende Änderungen der EU-Vorgaben zu Anlageprodukten für Privatkunden vorsieht. Ziel dieser Strategie ist die Stärkung des europäischen Rechtsrahmens, „um sicherzustellen, dass Kleinanleger in die Lage versetzt werden, fundiertere Anlageentscheidungen zu treffen, die ihren Bedürfnissen und Zielen besser entsprechen.“ Dieses Ziel ist grundsätzlich begrüßenswert und erfuhr breite Zustimmung innerhalb der europäischen Finanzbranche.

Fraglich ist jedoch, ob die in dem RIS-Entwurf gewählten Maßnahmen zur Umsetzung dieses Ziels im Detail zweckdienlich sind. Der Entwurf beherbergt ein Paket neuer Regularien, wobei vor allem neue Pflichten und Verbote für die Finanzbranche herausstechen. Die Europäische Kommission setzt weiter auf ihr Dogma der intensiven Regulierung der Märkte. Aufsehenerregend war in diesem Zuge insbesondere das von der EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness angedachte und anvisierte generelle Provisionsverbot für die Vermittlung von Anlageprodukten auf den Finanz- und Kapitalmärkten. Dies sorgte für viel Diskussion in der gesamten europäischen Finanzbranche. Ein entsprechendes Verbot, welches auch Versicherungsanlageprodukte beträfe, wurde von sämtlichen großen europäischen Versicherungsverbänden und Versicherungsunternehmen abgelehnt.

Im Rahmen dessen hat sich der europäische Dachverband Insurance Europe in Zusammenarbeit mit sechs anderen europäischen Interessenverbänden mittels einer Stellungnahme dagegen positioniert. Auch in Deutschland wurden Stellungnahmen mit zahlreichen Gegenargumenten zu dem Provisionsverbot vom Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW), dem Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sowie dem Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) veröffentlicht.

Unterstützung erfuhr das angedachte Provisionsverbot wiederum von der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa) und den europäischen Sozialdemokraten sowie in Deutschland speziell von der Verbraucherzentrale Bundesverband und von der Partei die Grünen.

Eingriff in Wahlfreiheit

Durch großes Bemühen aus der europäischen Politik, vor allem durch die Finanzminister mehrerer Mitgliedsstaaten wie beispielsweise dem deutschen Finanzminister Christian Lindner, sowie einer Vielzahl europäischer Interessenverbänden der Finanzbranche, konnte jedoch bis dato ein umfassendes Provisionsverbot in dem Entwurf zur RIS verhindert werden. Dennoch sind in dem Entwurf partielle Verbotsvorschriften zu finden. Diese umfassen zwar nicht die gesamte Finanzwirtschaft, allerdings ist eine solche Verbotsvorschrift immer noch für die Versicherungsbranche vorgesehen.

Zu beachten ist dabei, dass der Gedanke eines Provisionsverbotes kein Novum ist. So wurde die Idee bereits im Jahre 2012 im Zusammenhang mit der Entwicklung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) eingebracht. Damals wurde das Verbot nicht mit aufgenommen. Im gleichen Jahr führte allerdings Großbritannien Provisionsverbote ein. Daneben besteht auch in den Niederlanden seit mehreren Jahren ein solches Verbot.

Derzeit können Privatkunden in Deutschland frei wählen, ob sie direkt zu dem jeweiligen Versicherer gehen und dort ein Versicherungsanlageprodukt erwerben oder sich an einen unabhängigen Berater wenden und entweder Honorargebühren für die Beratung zahlen oder von einem Versicherungsvermittler Angebote erhalten, welcher eine Provision wiederum von dem Versicherer erhält und nicht von seinem Kunden.

In diese Wahlfreiheit soll nun eingegriffen werden. Der RIS-Entwurf sieht aktuell vor, dass unabhängige Versicherungsvermittler, also Versicherungsmakler, für ihre Leistungen „keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre oder nichtmonetäre Vorteile annehmen und einbehalten, die von einem Dritten oder einer Person, die im Namen eines Dritten handelt, im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung für Kunden gezahlt oder gewährt werden.“

Flucht zu unseriösen Online-Beratern

Damit soll trotz aller Bemühen aus der Versicherungsbranche nun doch ein ausdrückliches Provisionsverbot speziell für Versicherungsmakler eingeführt werden. Ob ein solcher Eingriff, wie er aktuell in dem Entwurf zu finden ist, überhaupt rechtmäßig ist, ist zweifelhaft. Dieser Auffassung ist auch der AfW. Der Verband hat dazu ein Rechtsgutachten durch Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität zu Berlin erstellen lassen. Das Gutachten zeigt die Tragweite dieser vorgesehenen Verbotsvorschrift auf und führt aus, dass diese gegen geltendes europäisches Recht verstoße.

Folge dieser Verbotsvorschrift wäre ein unverhältnismäßiger und schwerwiegender Eingriff in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der betroffenen Versicherungsmakler und deren Gleichberechtigung im Wettbewerb. Daneben werden auch die Handlungsfreiheit der Privatanleger und die Gewerbefreiheit der Makler als betroffene Grundrechte angeführt.

Durch dieses Verbot könnten betroffene Versicherungsmakler ihre Tätigkeit in der jetzigen Form praktisch nicht fortführen. Dies würde einem faktischen Berufsverbot gleichkommen, wodurch der Berufstand der Versicherungsmakler gefährdet wäre. Zudem werden diese gegenüber versicherungsgebundenen Versicherungsvermittlern benachteiligt und diskriminiert, da diese nach dem RIS-Entwurf weiterhin Provisionen erhalten dürfen. Folge wäre eine massive Beeinträchtigung des europäischen Wettbewerbes für Versicherungsanlageprodukte. Denn dadurch wäre für Privatkunden eine Provisionsberatung lediglich bei gebundenen Versicherungsvertretern möglich.

Möchte man sich nun unabhängig beraten lassen, verbliebe lediglich der Honorarberater, bei welchem man das Honorar selbst zu zahlen hätte. Die Versicherungsverbände befürchten dadurch eine Beratungslücke und Unterversorgung der Privatkunden in der Versicherungsbranche, wie es auch in Großbritannien und den Niederlanden zu erkennen ist, da die hohen Honorare die Kunden abschrecken könnten. Auch ist zu erwarten, dass der Markt für Versicherungsanlageprodukte insbesondere in Ländern, in denen die Provisionsberatung dominierend ist, schrumpfen könnte. Damit einhergehend wird eine Preissteigerung der Versicherungsprodukte vermutet. Als weitere Folge wird auch die Flucht der Privatanlegern zu unseriösen Online-Beratern genannt.

Drastische Auswirkungen

Die Europäische Kommission rechtfertigt diesen Eingriff zwar mit dem Schutz der EU-Verbraucher, allerdings weist das Gutachten darauf hin, dass nach der aktuellen Gesetzeslage in Deutschland ein Versicherungsmakler bereits jetzt schon im bestmöglichen Interesse seiner Kunden agieren muss. Auch haben Studien ergeben, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Verbraucherschutz und einem Provisionsverbot gibt.

Ein solches Provisionsverbot „durch die Hintertür“ kann folglich nicht befürwortet werden. Die Auswirkungen der RIS wären in der Versicherungsbranche drastisch. Das Verbot wäre weder zielführend noch rechtens. Zu unverhältnismäßig wäre der Eingriff in die Marktwirtschaft.

Da sich die RIS allerdings noch im Entwurfsstadium befindet und sowohl das Europäische Parlament als auch der Ministerrat sich dazu äußern muss, kann ein Provisionsverbot noch verhindert werden.

Insgesamt ist das anvisierte Ziel der RIS also grundsätzlich begrüßenswert. Im Hinblick auf das Provisionsverbot für Versicherungsmakler in dem RIS-Entwurf kann dem Schlusssatz von Hans-Peter Schwintowski gefolgt werden: „Es wird empfohlen, die Regelung ersatzlos zu streichen.“

Jan Philip Nagel ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro von Reed Smith.

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