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Zinsen sinken, Risiken steigen: Navigieren im Zinslabyrinth!

Foto: Cash
David Wehner, FGTC Investment

Die Zinssenkungen der US-Notenbank stützen die Aktienmärkte, setzen die Anleihemärkte jedoch weiter unter Druck. Das Spiel um Staatsanleihen-Renditen, die Handlungsspielräume der Zentralbanken und die Rolle von Gold als sicherer Hafen sind beunruhigende Vorzeichen. Warum Wetten auf den Crash dennoch unsinnig sind und Anleger langfristig vor allem am Aktienmarkt und in Gold investiert bleiben sollten.

Die jüngste Entwicklung der Renditen europäischer Staatsanleihen zeigt einen sich selbst verstärkenden Effekt. Das bekam vor einigen Wochen Frankreich zu spüren. Im Streit um die Sparpläne der Macron-Regierung, die mehrere Premierminister den Job kosteten und Hundertausende Franzosen auf die Straßen trieben, gerieten die Kurse französischer Staatsanleihen unter Druck. Damit stiegen auch die Renditen – und somit die Zinsen auf Staatsschulden. Hochverschuldete Nationen zahlen dann noch höhere Zinsen, weil die Geldgeber – also Investoren – einen Risikoaufschlag erwarten. Frankreichs Spread, also der Abstand der französischen Staatsanleiherenditen von den Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB), ist mittlerweile ähnlich hoch wie für Italien, Griechenland oder die Slowakei.


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Ungemach bei Staatsanleihen droht auch den USA. Die Staatsverschuldung ist hoch und steigt weiter, die Zinskosten sind mittlerweile der größte Posten im US-Staatshaushalt. Präsident Donald Trump drängt deshalb seit langem auf deutliche Zinssenkungen. Und es war wohl eher eine Frage der Zeit, bis die unabhängige US-Notenbank Federal Reserve (Fed) einknickte. Es kann also kaum überraschen, dass die Fed trotz hoher Inflation (2,9 Prozent im August) die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt hat und dies voraussichtlich Ende Oktober noch einmal tun wird – offiziell, um den schwachen Arbeitsmarkt zu stützen.

Dollar schwach, Schulden hoch, Bonds im Risiko

Doch die US-Leitzinsen liegen auch nach der Zinssenkung noch immer bei 4,0 bis 4,25 Prozent. Aktuell erzielt eine US-Staatsanleihe über zehn Jahre eine Rendite von 4,00 Prozent. Zum Vergleich: Die zehnjährige Bundesanleihe, sozusagen die Benchmark in der Eurozone, rentiert mit 2,58 Prozent deutlich niedriger. Die Sorge um die wachsende US-Staatsverschuldung –insgesamt 37 Billionen Dollar und mehr als 120 Prozent der Wirtschaftsleistung – sowie die Inflationsgefahren durch Trumps Zölle und das gesunkene Vertrauen in den US-Dollar ließen die US-Staatsanleiherenditen trotz der Zinssenkung sogar leicht anstiegen.

Für europäische Anleger waren 2025 US-Staatsanleihen aufgrund des schwachen Dollar ohnehin ein katastrophales Investment. Das Fatale: Weitere Zinssenkungen der Fed machen es noch schlimmer. Trump will über seinen frisch ernannten Fed-Gouverneur Stephen Miran noch höhere Zinssenkungen durchsetzen und mehr Einfluss auf das langfristige Zinsniveau nehmen. Von Miran stammt auch die umstrittene Idee, Inhaber von US-Staatsanleihen zum Zwangsumtausch in zinslose Anleihen mit 100 Jahren Laufzeit zu verpflichten. Das würde zwar die Zinszahlungen der USA senken, käme aber einem Schuldenschnitt gleich. Das Ansehen des Dollar als Weltreservewährung würde weiteren Schaden nehmen und die Inflation zusätzlich befeuern. Ein Absturz am Rentenmarkt wäre die wahrscheinliche Folge.

Crashgefahr am Rentenmarkt, Chancen bei Aktien und Gold

Die Crashgefahr am Anleihemarkt ist damit so groß wie seit Jahren nicht. Immer mehr Investoren meiden US-Staatsanleihen und Dollar-Investments und orientieren sich Richtung Europa und Asien. Chancen gibt es für Anleger am Rentenmarkt bei Unternehmensanleihen. Zwar sollten Anleger vorsichtig sein, da die Zinsspanne zwischen Hochzinsanleihen von Unternehmen und Staatsanleihen aktuell wenig attraktiv ist. Dennoch sind einige europäische Anleihen, die höhere Renditen bieten als US-Anleihen, eine interessante Option.

Indessen jubilieren Gold und der Aktienmarkt. Die jüngste Gold-Rally auf abermals neue Rekordhöhen ist ein klares Signal dafür, dass Anleger einen Rettungsring suchen, der sie im Börsencrash über Wasser hält. Historisch wie auch aktuell performt Gold am besten, wenn Fiskal- und Geldpolitik expansiv sind. Trotz möglicher Korrekturen, die nach mehr als 40 neuen Allzeithochs allein in diesem Jahr keineswegs überraschend wären, hat Gold noch Potenzial und könnte in einigen Jahren auf bis zu 5.000 US-Dollar pro Unze steigen. Für Anleger, die in Gold bereits hoch gewichtet sind, können Gewinnmitnahmen dennoch taktisch sinnvoll sein.

Vorsicht mit Anleihen, Aktien-Rally laufen lassen

Die Aktienmärkte in den USA und in Europa hingegen blenden derzeit die meisten Risiken aus und notieren auf Rekordniveau. Aktien bleiben die erste Wahl, zumal sie als Sachwertinvestition einen gewissen Inflationsschutz bei deutlich besseren Renditechancen bieten. Europäische Aktien profitierten bereits im ersten Halbjahr des Jahres von einer Dollar-Abkehr der Investoren, während die US-Börse vor allem dank des fortgesetzten Hype um KI-Aktien weiter stieg. Da die Rekordjagd nun ungeachtet der zahlreichen Krisenherde schon sehr lange anhält, sollten Anleger allerdings eine scharfe Korrektur nicht ausschließen. Wer jetzt einsteigt, muss seine Investments gut im Blick behalten. Bis dahin gilt: Gewinne laufen lassen.

Wer ausschließlich auf den großen Crash wartet, um einzusteigen, hat in der Vergangenheit nur eines erreicht: Er hat die Rally verpasst. Und solange die Fed und womöglich auch die EZB die Zinsen senken, dürften Aktien weiter profitieren. Langfristig orientierte Investoren, die mit kühlem Kopf handeln, sind diejenigen, die aus solch turbulenten Phasen gestärkt hervorgehen.

Autor David Wehner ist Head of Liquid Assets bei FGTC Investment.

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