Regulierung: Hart für den Vertrieb, weich für Initiatoren

Es stellt sich die Frage, warum dann überhaupt noch Prospekte erstellt und aufwändig geprüft werden sollen. Denn anscheinend traut die Politik den armen, geschundenen Anlegern nicht zu, des Lesens mächtig zu sein oder jedenfalls mehr als zwei Seiten intellektuell verarbeiten zu können.

Im Vertrieb von Wertpapieren, also von Kohärenz-geprüften Produkten durch Bafin-überwachte Institute, ist diese Entmündigung bereits Realität: Wer schon einmal in einer Bank einen Investmentfonds oder ein Wertpapier gezeichnet hat, weiß, dass die Institute die Prospekte allenfalls auf Nachfrage herausrücken – wenn sie überhaupt vorrätig sind. Wie abstrus die Welt der Wertpapiere aussehen kann, belegt das Beispiel eines freudlosen Prospekts mit mehr als 1.000 Seiten in Verbindung mit einem fröhlichen Zweiseiter (auf dem natürlich vermerkt ist, dass nur der vollständige Prospekt verbindlich ist).

Bafin-Bußgelder nutzen Anlegern wenig

Im Vergleich dazu zeichnen sich geschlossene Fonds bislang durch äußerst transparente Prospekte aus, deren Erhalt jeder Anleger nach der Haftungsrechtsprechung durch eine separate Unterschrift bestätigen muss. Das ist dann wohl Vergangenheit.

Dass die Bafin künftig Bußgelder verhängen kann, wenn der gesetzlich vorgeschriebene Beratungsprozess nicht eingehalten wird, hilft den Anlegern ebenfalls wenig weiter. Zwar mag davon eine abschreckende Wirkung ausgehen, das Bußgeld jedoch fließt an die Staatskasse. Der Anleger muss seinen Anspruch weiterhin selbst einklagen – und darauf hoffen, dass der Gegner am Ende auch zahlen kann. Eine Pflichtversicherung für Berater, die Anleger wirklich effektiv vor den Folgen von Beratungsfehlern schützen könnte, sieht der Gesetzentwurf nicht vor.

Die effektiven Instrumente: Sachkundenachweis und Pflichtversicherung

Dem Anlegerschutz wäre wesentlich mehr gedient, wenn Schäuble sich an den Koalitionsvertrag halten würde. Dort wurde vereinbart, dass eine Regulierung „in Anlehnung“ an das Recht für Versicherungsvermittler erfolgen soll. Das umfasst eine Registrierung, einen Sachkundenachweis sowie eine Pflichtversicherung. Denn damit wäre allen geholfen: Der Anlegerschutz würde insbesondere durch eine Pflichtversicherung für die Vermittler effektiv gestärkt werden, die freien Vertriebe könnten damit leben und letztlich wäre auch Schäubles Bafin entlastet, die für die neuen Aufgaben kaum gerüstet erscheint.

Die Emissionshäuser allerdings sollten nicht darauf hoffen, auf Dauer unreguliert zu bleiben. Schäuble hat sie wohl jetzt nur deshalb davon ausgenommen, weil er zunächst die EU-Richtlinie AIFM für „Alternative Investmentfonds-Manager“ abwarten will. Dann wird er auch in diesem Bereich nachlegen. Während der Vertrieb wohl recht bald weiß, was ihn erwartet, bleibt es für die Initiatoren also weiterhin spannend.

Stefan Löwer ist Chefanalyst der G.U.B., Deutschlands ältester Ratingagentur für geschlossene Fonds, und begleitet den Themenbereich geschlossene Fonds in der gesamten Cash.-Unternehmensgruppe. Als Cash.-Redakteur und G.U.B.-Analyst  beobachtet Löwer die Branche und ihre Produkte insgesamt bereits seit mehr als 15 Jahren.

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