Aktien in der Zinsfalle?

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Foto: PantherMedia
Steigende Zinsen: Sollte man die Aktienquote jetzt reduzieren?

Höhere Zinsen gelten als Gift für die Entwicklung der Aktienkurse. Viele Marktteilnehmer stellen sich daher die Frage, ob der Übergang zu höheren Zinsniveaus negativ für Aktien ist und sie deshalb die Aktienquote im Depot reduzieren sollten.

„Die Antwort ist komplex und die exakten Auswirkungen für die Aktienmärkte sind ambivalent“, so Tilo Wannow von Oddo BHF Asset Management. Ihm zufolge ist man mit einer auf Qualitätsunternehmen fokussierten Aktienanlage auch bei einem höheren Zinsniveau gut aufgestellt.

Wie beeinflusst das Zinsniveau die Aktienkurse?


„Betrachtet man isoliert den Zinseffekt auf Aktien, sollten steigende Zinsen zu fallenden Aktienmärkten und fallende Zinsen zu steigenden Aktienkursen führen“, schreibt Wannow. Schließlich stünden Anlegern sichere Alternativen, z.B. Staatsanleihen zur Verfügung. Daher müssten die dafür erzielbaren Zinsen (neben einem Risikoaufschlag) bei der Bewertung der Aktien berücksichtigt werden. Typischerweise werden diese Berechnungen von Analysten in einem „Discounted Cashflow“-Modell (DCF-Modell) angestellt. Der Zins steht dabei im Nenner, sodass höhere Zinsen einen niedrigeren Aktienwert zur Folge haben und umgekehrt. „Die genaue mathematische Auswirkung steigender Zinsen hängt vom Startniveau ab“, so der Fondsmanager des Oddo BHF Polaris Balanced. „Man kann jedoch in etwa von einem um 20 % niedrigeren Aktienwert ausgehen, wenn die Zinsen um einen Prozentpunkt steigen.“

Tilo Wannow, Oddo BHF Asset Management

Ausnahmen bestätigen die Regel 


In der Praxis passiere nicht selten das Gegenteil. Immer wieder traten fallende Markt- und Notenbankzinsen und sinkende Aktienmärkte zusammen auf, so Wannow. Dann komme der Risikoaufschlag auf die Zinsen ins Spiel. „Fallende Zinsen sind oftmals ein Anzeichen von schlechteren Konjunkturaussichten oder Vorboten von Krisen. Dies kann die Gewinnaussichten der Unternehmen (im Zähler des DCF-Modells) und den Risikoaufschlag auf den Zins (im Nenner) zum Leidwesen der Aktionäre beeinflussen.“  

Auf der anderen Seite spricht ein höheres Zinsniveau nicht zwangsläufig gegen eine Anlage in Aktien.  „Wenn höhere Zinsen Ausdruck eines verbesserten wirtschaftlichen Umfeldes sind und Unternehmen die höhere Inflation gut kompensieren können, steigen die Gewinne schneller als in der Niedrigzinsphase“, führt Wannow aus. Daneben müsse man einen weiteren Aspekt berücksichtigen. Wenn die ultratiefen Zinsen, die bis 2021 herrschten, nicht voll eingepreist wurden, sei auch der Effekt der Zinsnormalisierung nicht so negativ für die zu erwartenden Aktienrenditen.

Gewinnwachstum als langfristig dominierender Faktor


Insgesamt hält Mischfondsmanager Wannow das Gewinnwachstum für mindestens genauso wichtig wie das Zinsniveau, um die Aktienkursentwicklung realistisch einzuschätzen. Hier werde der Zähler im DCF-Modell berücksichtigt. „Strukturell und stetig wachsende Qualitätsunternehmen profitieren von diesem Rückenwind, was den mathematischen Effekt der Zinsen im Nenner langfristig dominiert und zu einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung führen sollte“, so der Fondsmanager. „Mit einem Fokus auf Qualitätsunternehmen ist man daher auch bei einem höheren Zinsniveau langfristig auf der sicheren Seite.“

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