„Schwerwiegende methodische Probleme“: Verbände kritisieren Studie zum Provisionsverbot

Foto: Universität Regensburg
Campus der Universität Regensburg

Eine Studie der Universität Regensburg, die ein Provisionsverbot befürwortet, sorgt für Wirbel in der Branche. Was Vermittlerverbände zu der Studie sagen.

Die Universität Regensburg hat sich in einer Studie (Cash. berichtete) mit den Auswirkungen des Provisionsverbots in Ländern beschäftigt, in denen es schon besteht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen 1997 und 2020 OECD-Länder mit Provisionsverbot eine 1,5 Prozent bis 2 Prozent höhere jährliche Rendite auf ihr Vermögen erreicht haben. Dies könne nahezu zu einer Verdopplung des Haushaltvermögens nach 40 Jahren führen. „Somit sprechen die Ergebnisse für die Einführung von Provisionsverboten zur Förderung der Vermögensbildung privater Haushalte“, heißt es in der Studie.

Für AfW-Vorstand Norman Wirth gibt es daran einige  Punkte zu kritisieren: „Den dieser Studie zugrunde gelegten ‚Standard-Haushalt‘, der anfänglich 100.000 Euro in den Topf legt und dann über 40 Jahre in einen Sparplan jährlich 1.200 Euro weiter einzahlt, gibt es wohl nur in der Theorie der Regensburger Experten. Bei der ganzen Diskussion geht es um die sogenannte Kleinanlegerstrategie der EU. Ich kenne zudem kein Land, in dem es seit 40 Jahres bereits ein Provisionsverbot gibt.“ Die Herleitung der Ergebnisse über einen fiktiven 40-Jahreszeitraum im Vergleich von verschiedensten Ländern mit völlig unterschiedlichen Altersvorsorgekulturen lasse viele Fragen offen.

Ergebnisse stehen in Frage

„Die Studie berücksichtigt weiter nicht, dass mit Provisionen auch der gesamte Service während der Vertragslaufzeit abgegolten ist. Die Prämissen der Studienautoren vorausgesetzt, hätten die Kunden bei Fragen oder Anliegen zu ihren bereits bestehenden Verträgen keine Anlaufstelle. Wer, wie die Autoren, zielorientiert die angeblichen Vorteile eines Provisionsverbot herleitet, muss sich auch darüber im Klaren sein, das er den Kunden damit den persönlichen Service (vor Ort) entzieht. Die Alternative sind dann oft völlig unqualifizierte Finfluencer, Verbraucherzentralen, die ebenfalls keine Qualifikationspflicht für sich erkennen können, und anonyme Call-Center – demnächst vielleicht auf wackeliger KI-Basis. Und alles auch noch ohne das große Branchenthema der letzten Jahre und der Zukunft – Nachhaltigkeit – auch nur ansatzweise berücksichtigt zu haben, weil ja keine Beratung und Betreuung mehr stattfindet“, bemängelt er.

Aus Sicht von Votum-Vorstand Martin Klein zeigt die Studie bei genauerem Hinsehen einige schwerwiegende methodische Probleme und Unzulänglichkeiten, die ihre Ergebnisse und Schlussfolgerungen deutlich in Frage stellen. „Die Studie unternimmt den mehr als zweifelhaften Versuch, aus wenigen Daten der Makroökonomie einzelner Länder Rückschlüsse auf die mikroökonomische Entwicklung der Haushaltsvermögen Einzelner zu ziehen. Tatsächlich hängt bei einem solch fragwürdigem Ansatz das Resultat im Wesentlichen von den Modellierungsannahmen der Studienersteller ab und nicht von der tatsächlichen Entwicklung der Realvermögen“, kritisiert er. Die Studie habe keine relevante Datengrundlage. „So erfasst sie gerade nicht die Vermögenssituation einer repräsentativen Menge von Individualhaushalten und vergleicht deren Entwicklung vor und nach Einführung eines Provisionsverbots. Ohne solche Daten kann seriös kein vermeintlich kausaler Zusammenhang mit eine solchen Einzelmaßnahme begründet werden“, so Klein.

Andere Größen für Vermögensbildung nicht berücksichtigt

„Wesentliche Faktoren für die private Vermögensentwicklung, wie etwa der steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rahmen, die Sparquote, die wirtschaftliche Entwicklung oder auch der Aktienanteil am Sparvermögen bleiben offenbar unberücksichtigt und könnten tatsächlich von weitaus größerer Bedeutung für die Vermögensentwicklung einzelner Haushalte sein als der Effekt von Provisionen“, kritisiert er. Ebenso werde erneut, wie auch bei anderen Studien, nicht der Effekt berücksichtigt, der durch die Kosten des Honorars für eine notwendige Beratung entsteht. „Im Ergebnis steht diese Studie auf ebenso tönernen Füßen wie die von der EU-Kommission herangezogene Kantar-Studie.“ Gänzlich unberücksichtigt lasse die Studie die kritischen Auswirkungen in Ländern ohne Provisionsangebot, zum Beispiel eine massive Marktkonzentration auf einige wenige Anbieter.

„Teil meiner freien und unabhängigen Forschung.“

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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