Michael Groß: „Lust am Machtverlust“

Cash. sprach mit Unternehmensberater und Schwimm-Olympiasieger Dr. Michael Groß über die erfolgreiche Führung eines Unternehmens im digitalen Zeitalter, die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt und die Fähigkeit, aus Niederlagen zu lernen.

Vom olympischen Helden zum Unternehmensberater: Dr. Michael Groß hilft seit vielen Jahren Unternehmen in Fragen der digitalen Transformation.

Cash.: Herr Dr. Groß, welche Fähigkeiten sind bei der Führung eines Unternehmens im digitalen Zeitalter besonders wichtig? Worauf kommt es an?

Groß: Vier Punkte sind entscheidend: Elementar ist die Vernetzung nach innen und außen. Das bedeutet, als Führungskraft nicht immer selbst Projekte zu treiben, sondern eine Vernetzung anzuregen. Man muss Impulsgeber sein und Brückenbauer.

Genauso wichtig ist die Offenheit, Dinge zuzulassen, die so bisher nicht denkbar waren, zum Beispiel andere Entscheidungsprozesse. Dabei wird nach Prinzipien entschieden und nicht, weil jemand auf seiner Visitenkarte Senior Vice President stehen hat.

Dann kommt das Thema Partizipation: Man muss alles tun, damit die Mitarbeiter ihre versteckten Potenziale wecken können. Dafür braucht man Plattformen, an denen jeder teilhaben kann.

Der letzte Punkt ist Agilität. Das bedeutet nicht nur, schneller zu entscheiden, sondern auch etwas sein zu lassen, wenn sich zeigt, das es nicht funktioniert.

Ist die erfolgreiche Führung eines Unternehmens im digitalen Zeitalter auch eine Generationsfrage oder spielt das Alter keine Rolle?

Das Alter schützt ja nicht davor, eine neue Perspektive einzunehmen. Auch wenn man Mitte 50 ist, sollte man sich fragen: Warum gibt es uns noch in zehn Jahren? Was wollen wir dann besser als andere können?

Sich diese Fragen zu stellen, ist eine der wichtigsten Führungsfähigkeiten – unabhängig davon, wie alt man ist.

Cash.: Wie gut sind die deutschen Unternehmen in Sachen Digitalisierung aufgestellt?

Groß: Man kann nicht sagen, dass eine bestimmte Branche komplett hinterherhinkt oder ganz weit vorn liegt. Es gibt eine extrem breite und vielfältige Landschaft in Deutschland.

Ein großer Vorteil ist, dass wir nicht nur ein oder zwei Regionen haben, in denen das Thema Digitalisierung bearbeitet wird, sondern viele kleine Innovationszentren in unterschiedlichen Branchen.

Positiv stimmt mich auch, dass gerade der deutsche Mittelstand schon immer sehr nah am Kunden war. Dort wird darauf geachtet, dass das, was man macht, möglichst schnell Ertrag und Kundennutzen abwirft.

Sie schreiben in Ihrem neuen „Digital Leader Gamebook“, dass sich Digitale Leader selbst zurücknehmen müssen. Sie müssten wissen, dass sie ihre Führungskraft erworben haben und sie nicht mehr nur verordnet ist. Bedeutet das im Umkehrschluss: Wer das noch nicht verinnerlicht hat, kann auch kein Digital Leader sein?

Das kann sich keine Führungskraft mehr erlauben, denn es führt dazu, dass man sich in einer Herrschaftsburg einmauert. Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Agilität können so nicht erreicht werden.

Wichtig ist die Lust am Machtverlust, denn die Digitalisierung kratzt massiv an etablierten Machtstrukturen – ob man will oder nicht.

Cash.: Sie empfehlen auch, keine Geheimbünde zu schmieden. Passiert das heute noch zu häufig in den Unternehmen?

Groß: Ja, das findet immer noch statt. Gerade in Finanzorganisationen fällt es vielen Führungskräften schwer loszulassen, weil sie wissen, dass ihre Beziehungen aktuell das Kapital sind. Loszulassen bedeutet ja immer auch, Kontakte preiszugeben.

In der Finanzdienstleistungsbranche kommt erschwerend hinzu, dass dort viele Unternehmen Tausende Mitarbeiter beschäftigen, die Dienstleistungen erbringen, die komplett digitalisiert werden können und die von den nachwachsenden Generationen wenig nachgefragt werden.

Wie sind „destruktive Machtproben“ zu vermeiden beziehungsweise zu lösen?

Niemand soll als Führungskraft sofort einem Idealtypus des Digital Leaders entsprechen. Wichtig ist, schnell die ersten Spielzüge zu machen. Dazu gehört auch, sich keine Illusion zu machen: Die Konfrontation wird nie ganz zu vermeiden sein.

Also sollte man versuchen, Mitstreiter zu finden, die nur auf den Impuls warten, gemeinsam neue Wege zu gehen. Es kann allerdings mehrere Jahre dauern, bis auch die Skeptiker zuhören und nicht mehr opponieren.

Teil zwei des großen Cash.-Interviews mit Dr. Michael Groß erscheint am Mittwoch den 20. März auf Cash.Online.

Foto: DPA/Picture Alliance

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