„Die bKV sollte ein Must-have für Unternehmen sein“

Die Diskussionsteilnehmer von links: Dr. Stephan Böhm, Arag Krankenversicherung; Corinna Sevin, Softfair; Alexandra Markovic-Sobau (rechts), Hallesche Krankenversicherung

Die bKV wird für Firmen als Wettbewerbsfaktor immer wichtiger. Über die vertrieblichen Herausforderungen und Chancen diskutierte Cash. mit Dr. Stephan Böhm, Markt- und Produktmanagement bei der ARAG Krankenversicherung, Alexandra Markovic-Sobau, Zentralbereichsleiterin Vertrieb bei der Hallesche Krankenversicherung und Corinna Sevin, KV-Expertin bei Softfair.

Laut PKV-Verband hatten rund 1,6 Millionen Menschen eine betriebliche Krankenversicherung, rund 18.000 Firmen bieten Beschäftigten nun eine bKV an. Wie haben sich bei Ihnen die Zahlen entwickelt? 

Böhm: Auch bei der ARAG Krankenversicherung nimmt die Zahl der Anfragen von Arbeitgebern stetig zu, die ihren Mitarbeitern attraktive Angebote im Bereich der bKV anbieten möchten. Der Anteil der bKV in unserem Zusatzversicherungsgeschäft wächst zunehmend – wenn auch aktuell noch auf einem eher niedrigen Niveau. Wir sehen die bKV als einen Geschäftsbereich mit einem großen strategischen Wachstumspotenzial. Deshalb investieren wir hier auch kontinuierlich. So haben wir seit über acht Jahren klassische Bausteintarife erfolgreich im Angebot und seit 2018 eine innovative Hybridlösung im Krankentagegeld-Bereich. Letztere sichert alle Mitarbeiter ab – egal ob gesetzlich oder privat krankenversichert. Der Trend geht jedoch eindeutig zu den Budgettarifen. Auch wir als ARAG Krankenversicherung werden unser bKV-Angebot noch im Oktober durch neue Budgettarife erweitern. Diese zeichnen sich durch ein einfaches Produktkonzept sowie eine hervorragende Preis-Leistungspositionierung am Markt aus. Ein prozessuales Ausrufezeichen setzt eine neue Plattformlösung, die es Arbeitgebern, Vermittlern und Versicherern gleichermaßen ganz einfach macht, den Abschluss sowie Bestandsvorgänge voll automatisiert abzuwickeln. 

Markovic-Sobau: Bei der Hallesche Krankenversicherung haben wir uns seit 2012 auf das Themenfeld betriebliche Krankenversicherung ausgerichtet. Die ersten Jahre waren eine Durststrecke. Gemessen am Volumen unseres Kerngeschäfts der privaten Krankenvollversicherung, war die bKV ein Stiefkind. Die ersten fünf bis sechs Jahre mussten wir viel zuhören, um zu verstehen, was die echten Probleme der Arbeitgeber sind. Es geht weniger um Produktlösungen oder die AVBs, sondern sehr stark das Prozessuale. Die einfache Umsetzung war für sie entscheidend. Das haben wir mit unseren Budgettarifen 2018 ermöglicht. Seitdem sehen wir hohe Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. Die bKV steuert inzwischen ein Viertel bis ein Drittel des Gesamtumsatzes bei. Heute hat der Markt eine andere Reife. Und wir sehen eine sehr dynamische Entwicklung. 

Wie beurteilt die KV-Expertin den Markt? 

Sevin: 2017 hat sich mit den Feel Free-Tarifen der Hallesche viel im Markt verändert. Hinzu kommt, dass manche Randbedingungen der betrieblichen Krankenversicherung sehr geholfen haben, so die steuerliche Anrechenbarkeit als Sachleistung seit 2019 und die Erhöhung der Sachbezugsfreigrenze auf 50 Euro für 2022. Das hilft sehr in der Ansprache bei dem Unternehmen. Und dann haben sich ja auch in den letzten Jahren die Arbeitsmärkte sehr verändert. Die Unternehmen müssen heute um vernünftige Arbeitnehmer buhlen, Stichwort Fachkräftemangel. Da ist die betriebliche Krankenversicherung schon ein guter Aspekt. Weil der Arbeitgeber zeigt, dass er etwas bietet, was andere nicht haben. Und deutlich macht, dass er sich darum kümmert, dass Mitarbeiter gesund bleiben und sich dem Unternehmen verbunden fühlen. Ich denke, dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist.

Warum waren die ersten Jahre eine Durststrecke? 

Markovic-Sobau Es gab nicht den einen Grund, jedoch lag es häufig an den Entscheidungsprozessen in den Unternehmen. Ein Beispiel: Sie sitzen zusammen in einer Runde, die Begeisterung ist enorm, die Kaufmotivation hoch. Wir kommen mit unserer Angebotspalette, präsentieren die Bausteine. Mit im Gespräch: Der Finanzchef, die Betriebsrätin, die Personalchefin und der Senior-Chef, der das Sagen hat. Und die Beteiligten können sich nicht einigen. Das heißt, wir gingen mit leeren Händen heraus, weil es keine Schnittmenge gab. Das war der Schlüssel zu den Budgettarifen. Mit dem Finanzchef sprechen sie sehr früh über das Budget und darin enthaltene Leistungen. Auf dieser Basis haben wir die Budgettarife entwickelt, die alles enthalten, egal ob Brille, Zahnvorsorge, Heilpraktiker oder Videotelefonie. Auf Basis des Budgets ist alles möglich, es muss nur dessen Höhe festgelegt werden. Das sauber zu rechnen, die Prozesse ordentlich zu gestalten, ist herausfordernd. Aber das zündende Momentum der Einfachheit kennzeichnet letztlich unseren Budgettarif Feel Free: Nimm, was du willst, und dein Mitarbeiter ist frei, zu wählen was er braucht. Das überzeugt.

Wie schwierig ist die Kalkulation eines solchen Tarifs? 

Böhm: Sie ist herausfordernd. Es steht ein Budget aus unterschiedlichen Leistungsbereichen zur freien Verfügung, das der Arbeitnehmer grundsätzlich in Anspruch nehmen kann. Die Kalkulation basiert darauf, dass der Arbeitgeber die bKV als Gruppenvertrag zum Wohle seiner Mitarbeiter abgeschlossen hat und nicht jeder Arbeitnehmer durchgehend alle Leistungen in Anspruch nehmen wird. Dadurch rechnet sich das Modell. Gleichzeitig gestaltet sich die Kalkulation entsprechend anspruchsvoll – gerade, wenn man wie wir höchsten Wert auf stabile Tarifwerke legt. Im Einzelversicherungsgeschäft wäre es deutlich schwieriger, so etwas preislich attraktiv anzubieten.

Markovic-Sobau: Es ist schon wichtig, als guter Krankenversicherer solide zu kalkulieren. Die bKV ist ein Gruppengeschäft. Wenn ein Arbeitgeber mit seinen 500 oder 2.000 Mitarbeitern schlechte Erfahrungen macht, wird sich dies herumsprechen. Es ist wichtig, dass Versicherer, die langfristig am Markt aktiv sein möchten, ihre Budgettarife nachhaltig kalkulieren. Denn das Angebot muss auch auf den zweiten Blick standhalten. Die Vermittler achten auch in der bKV auf eine nachhaltige Kalkulation. Die kalkulatorische Nachhaltigkeit ist hier mindestens genauso wichtig wie in der PKV. 

Böhm: Ich glaube, sie ist in der bKV sogar noch viel wichtiger! Der Vermittler steht nicht nur dem Arbeitnehmer als versicherte Person gegenüber, sondern zuvor dem Arbeitgeber – und bei großen Unternehmen auch der Personalabteilung und dem Betriebsrat. Wenn der Vermittler am Ende eigentlich alles in trockenen Tüchern hat – das kann ein bis zwei Jahre oder noch länger dauern – und dann mit einer Beitragsanpassung kommt, wäre dies fatal. So legen viele Arbeitgeber in Betriebsvereinbarungen konkret fest, welche Mittel sie für die bKV ihrer Mitarbeiter investieren. Die ARAG Krankenversicherung hat übrigens ihre bKV-Bausteintarife seit deren Markteinführung noch nie angepasst.

Erleben Sie, dass Arbeitgeber die bKV kündigen? 

Markovic-Sobau: Erstaunlicherweise erleben wir bei den Tarifen, die in den vergangenen fünf  Jahren abgeschlossen wurden, eine hohe Bindung. Die, die eine bKV haben, behalten sie. Noch nicht einmal die Corona-Pandemie oder die jetzige Energiekrise haben dazu geführt, dass dieser Baustein infrage gestellte wurde oder wird. Vor der bKV gab es Benefits wie den Tankgutschein. Der entwickelt sich wegen der hohen Energiepreise nun zurück. Wir merken, dass die Pandemie die Sensibilität für die Gesundheit erhöht hat. Das heißt, auch die Arbeitnehmer empfinden es als ein echtes Geschenk vom Arbeitgeber, dass er sich in der Krise um die Gesundheit kümmert. Ich glaube, die Abschlussquote wäre ohne Krise doppelt so hoch. Pro oder contra bKV – das ist eine wohlüberlegte Entscheidung der Unternehmer. Der, der sich das nicht leisten kann, schließt erst gar nicht ab.

Böhm: Die Krise spiegelt sich in vielen Wirtschaftszweigen wider und die Gesundheitsleistungen werden sicherlich teurer werden. Aber auch ich sehe einen entscheidenden Faktor darin, dass Gesundheitsvorsorge durch die Pandemie klar in den Fokus gerückt ist. Umso wichtiger ist es daher, zielgerichtete und flexibel anpassbare Versorgungskonzepte anzubieten, die genau auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zugeschnitten sind. Das Thema Einfachheit spielt neben den anpassbaren Produktkonzepten eine wichtige Rolle. Gerade in Pandemiezeiten ist es eher üblich, sich mit der Geschäftsführung oder dem Betriebsrat nicht vor Ort, sondern über andere Kanäle zu beraten. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, dass die Produkte ein möglichst einfaches, verständliches Leistungsversprechen bieten. Daneben wird die digitale Abwicklung immer essenzieller – und ganz allgemein möglichst niedrige Einstiegshürden für den Arbeitgeber.

Wie lange dauert die Anbahnung eines bkV-Abschlusses? 

Böhm: Bei größeren Unternehmen dauert die Anbahnung naturgemäß länger – insbesondere, wenn mehrere Entscheidergruppen wie die Mitbestimmungsseite involviert sind. Bei KMUs kann es schnell gehen, binnen weniger Monate, insbesondere, wenn das Unternehmen inhabergeführt ist. Dort hat der Chef meist ein persönlicheres Verhältnis zu seinen Mitarbeitern. Durch diese starke Bindung zur Belegschaft fühlt er sich auch stärker verantwortlich. Kleinere Unternehmen fragen, ob sie die bKV finanzieren können – und sehen dann oft, dass ein vernünftiges Angebot in der Regel deutlich unter einem Prozent der Lohn- und Gehaltssumme liegt. Gerade, wenn ein hoher Wettbewerb im Arbeitsmarkt besteht – Stichwort „War for Talents“ –, sehen wir, dass sich Unternehmen durch die Etablierung der bKV gezielt regional gegenüber Wettbewerbern differenzieren möchten. 

Nach welchen Kriterien entscheidet ein Unternehmen bei der bKV? 

Markovic-Sobau: Es ist spannend. In der betrieblichen Krankenversicherung sind Marke oder Name irrelevant. Wir unterstützen unsere Vertriebspartner als Benefit-, Vorsorge- oder Gesundheitskonzeptanbieter. Wir versuchen, uns in das betriebliche Gesundheitsmanagement einzubringen. In diesem Belegschaftsthema konkurrieren wir aber auch mit dem Tankgutschein. Hinzu kommt: Sie sprechen hier nicht mit denjenigen, die für die Unternehmensabsicherung verantwortlich sind. Es sind andere Akteure. Insofern ist die Marke in meinen Augen nicht relevant, sondern das Profil des Beraters oder der Beraterin. Man geht mit einem Konzept und nicht mit einem ProduktPortfolio in ein Unternehmen. Man ist sich bewusst, dass man mit anderen Benefits innerhalb dieser Firma konkurriert und versucht, sich dort einzubetten. 

Böhm: In der Tat kommt man nicht mit einer Versicherung durch die Tür, sondern mit einer passgenauen Lösung zum umfangreichen Themenfeld Gesundheitsvorsorge sowie Unterstützungsangeboten rund um das betriebliche Gesundheitsmanagement. Gerade bei KMUs, die oft zu klein sind, um diese Felder selbst abzudecken, ist es wichtig, dort Unterstützung anzubieten – etwa bei der Organisation von Gesundheitstagen. Auch Hilfestellungen zu Themen wie psychische Gefährdungslage oder Wiedereingliederung nach längerer Krankheit spielen eine wichtige Rolle. Alles Dinge, die gesetzlich verankert sind und von den Unternehmen bespielt werden müssen. Das Gesamtkonstrukt entscheidet und nicht die Klauseln der Versicherungsbedingungen. 

Frau Sevin, worauf achten Sie bei Softfair bei der Analyse der Tarife? 

Sevin: Wir betrachten die Leistungsinhalte. Gerade bei der bKV spielen Gesundheitsservices eine wichtige Rolle. Serviceleistungen wie Facharztvermittlung oder Telemedizinische Angebote sind hier etwa wichtige Aspekte. Die lassen sich für uns als Vergleicher schwer in Merkmalen greifen. Aber es ist schon wichtig, das mitzubetrachten, weil sie im Kontext des betrieblichen Gesundheitsmanagements relevant sein können. Ein bKV-Rating nehmen wir nicht vor. Wir vergleichen. Man kann gegenüberstellen, wenn man wissen möchte, ob der Tarif Leistungen für Sehhilfen enthält, welche Leistungen es dafür gibt und wie hoch das Budget ist. Das lässt sich vergleichen und das machen wir auch. Auch die Preise lassen berechnen. Aber wir machen kein Produktrating in der bKV, weil es schwer zu fassen ist. 

Das heißt, Sie ranken auch nicht?

Sevin: Richtig. Wenn ich einen Budgettarif aufnehme, bekommt er von mir die ganzen Merkmale: Ja, er hat Leistungen für Heilpraktiker, ja, er hat Leistungen für Sehhilfen, ja, er hat Leistungen etc. Aber wenn ich ihn vergleichen würde mit einem Nichtbudgettarif, hätte er da die gleichen Merkmale? Ja, hätte er, aber eben mit einem Budget – also einer Leistungsbegrenzung über alle Bereiche. Das lässt sich im Vergleich korrekt darstellen und  über Leistungstexte erläutern, aber dieses mit „Eulenaugen“ zu versehen, also zu bewerten, wäre schwer – und nicht fair. 

Markovic-Sobau: Ich bin sehr glücklich darüber, dass Sie das nicht tun. Als Informationsquelle finde ich die bKV-Marktanalyse äußerst hilfreich. Wir erleben, dass nicht nur das Produkt eine Rolle spielt, sondern auch die Prozesse oder die Portalfähigkeit. Die Hallesche hat seit drei Jahren ein Portal und über 70 Prozent der Kunden werden darüber verwaltet. Die Prozesse rund um das Inkasso, den Antrag, den Vertrag und die Leistungen beziehungsweise Rechnungen spielen eine wichtige Rolle. Hier geht es um Erlebbarkeit. Wir sehen, dass Belegschaften oft nicht komplett Deutsch sprechen. Daher transportieren wir Informationen und Leistungsinhalte zur bKV in 17 Sprachen. Wenn ein Arbeitgeber Informationen auf Bulgarisch oder Türkisch oder Englisch benötigt, stellen wir das in dieser Mehrsprachigkeit auch zur Verfügung. Letztlich kann die bKV, die der Arbeitgeber einkauft, nicht die Wirkung entfalten, wenn sprachliche Barrieren den Informationstransfer behindern. Das ist in meinen Augen wesentlich. Und deswegen ein Appell an die Analystin, vielleicht noch ein paar Kategorien zu Services, Erlebbarkeit und der Prozessthematik zu integrieren.

Welche Entwicklungen sehen Sie bei Softfair im bKV-Markt? 

Sevin: Die neuen Tarife der letzten Jahre waren Budgettarife. Gerade zum 1. Oktober hat die Gothaer zwei neue Budgettarife auf den Markt gebracht. Diese Tarife sind der Trend und laufen den Bausteintarifen inzwischen den Rang ab.

Warum? 

Sevin: Es geht darum, für jeden Mitarbeiter in der Firma das passende Angebot zu haben. Der eine sagt: „Ja, ich habe ein Hörgerät. Für mich ist ein Tarif für Hilfsmittel super. Der andere möchte Behandlungen beim Heilpraktiker. Der Dritte findet  Sehhilfen wichtig. Je mehr Mitarbeiter Sie haben, desto unterschiedlicher sind die Leistungswünsche. Durch Budgettarife werden die Wünsche von vielen erfüllt. Fast jeder Mitarbeiter kann davon profitieren. Das ist das, was aus Mitarbeitersicht gefragt ist. Deshalb sind Budgettarife im Trend.

Wie groß sind denn die Leistungsunterschiede zwischen den Tarifen? 

Sevin: Tatsächlich werden durch die Budgets die Leistungsunterschiede im Markt eher kleiner. Vermutlich, um sich dennoch von anderen zu unterscheiden, haben manche Versicherer kleine Leistungsbestandteile integriert, die sie als besonders innovativ empfinden.  Als Analystin empfinde ich das teilweise als unnötig.

Markovic-Sobau: Viele Betriebe haben heute die Pflicht, Nachhaltigkeitsberichte vorzulegen. Wir haben uns früh bei der Entwicklung des Feel Free mit dem Thema ESG auseinandergesetzt. Letztendlich haben wir gemerkt, dass hier nicht der CO2-Fußabdruck entscheidend ist, sondern der Social-Aspekt. Arbeitgeber ermöglichen Arbeitnehmern den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Das zahlt direkt auf die Nachhaltigkeit ein. Und so stellen wir für Betriebe, die Feel Free abschließen, ein Testat der Uni Bayreuth zur Verfügung, dass diese in den Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens integrieren können. Das trifft bei Unternehmern auf offene Ohren: Ich will und muss nachhaltig sein, und das ist ein guter Weg. Das Motto ist: Tue Gutes und rede darüber. Vor drei Jahren haben wir schon das Testat bekommen und es gilt auch für den Feel Free Up und für Feel Care – unsere Pflegelösung. Was mich wundert, dass dies noch nicht kopiert wurde.

Böhm: Trotz des Trends zu den Budgettarifen behalten aus meiner Sicht auch die Bausteintarife weiterhin ihre Berechtigung – etwa bei der stationären Zusatzversicherung oder dem Krankentagegeld, wo hochwertige Leistungen ohne eine summenmäßige Begrenzung wichtig sind. Insgesamt kommt dem Gesamtpaket, das ein Vermittler in der bKV anbietet, eine wichtigere Rolle zu, gerade wenn die Budgets der neuen Tarife ähnlich sind. Der ARAG Konzern ist das größte deutsche Versicherungsunternehmen in Familienbesitz. Deshalb setzen wir gezielt auf familiennahe Leistungen wie Kinder-Krankentagegeld oder bedarfsorientierte Gesundheitsservices rund um die Schwangerschaft und Entbindung. Das gilt für unsere 2019 neu etablierten absatzstarken neuen Vollversicherungen genauso wie für unsere 2021 eingeführten neuen stationären Tarife und jetzt unsere Budgettarife. Ich denke, mit diesem schlüssigen Konzept lassen sich für den Vertriebspartner passende Ansatzpunkte und Differenzierungsmerkmale finden.

Stichwort Wachstumszahlen: Wie sieht es bei den großen Unternehmen aus und wie bei den kleinen?

Markovic-Sobau: Wir sehen, dass große Unternehmen viel selbst gestalten: Eigene Fitnessstudios, Betriebsärzte oder Gesundheitsprogramme. Viele Elemente, die wir in einer Bündelung als Krankenversicherer anbieten, passen dort nicht immer adäquat zusammen. Vor dem Hintergrund bewegen wir uns eher in den KMUs. Dort sehe ich die großen Ansatzpunkte. Und immer dort, wo wir mit unseren Leistungen der Krankversicherung und begleitenden Services das Leben des Arbeitnehmers verbessern können. So sind Arbeitgeber verpflichtet, Umfragen zur seelischen Gesundheit der Mitarbeiter durchzuführen. Kleinere Firmen stehen hier vor Herausforderungen. Wir können dort im Rahmen unserer Lösungen helfen, wenn die HR-Abteilung oder der Personalbereich das nicht abbilden kann. Mit der Durchdringung sind wir aber nicht glücklich. Wir haben noch ganz viele Betriebe, die noch nie etwas von der bKV gehört haben. Eine bAV kennt jeder. Bei der bKV werde ich manchmal mit Aussagen wie „Ach, Lohnfortzahlung? Krankenversicherung. Also nein“, konfrontiert. Wenn ich über Benefits spreche, ist die Aufmerksamkeit geweckt. 

Und wie gehen Sie das Thema bKV vertrieblich an?

Böhm: Wir haben bei der ARAG Krankenversicherung im Backoffice ein Kompetenzcenter sowie speziell ausgebildete Personenversicherungsspezialisten und Maklerbetreuer, die ein langjähriges Know-how im Bereich bKV besitzen. Sie begleiten die Vertriebspartner und Makler ganz eng bei der Beratung, dem Abschluss und der Betreuung rund um die bKV – auch vor Ort bei den Unternehmen. Was uns als ARAG Krankenversicherung hier besonders stark macht ist, dass wir einen sehr engen Kontakt zu den Vertriebspartnern haben, und eben auch zu Inhousemaklern. Gerade bei den großen Unternehmen sind die Inhousemakler diejenigen, die das Thema stemmen und dort die Expertise haben. 

Markovic-Sobau: Die Hallesche hat vor acht Jahren das Kompetenzcenter Firmen gegründet. Dort haben wir inzwischen über zwölf Experten, die nichts anderes machen, als über die Wegstrecke den Geschäftspartner zu begleiten. Das heißt, wenn der Geschäftspartner auf einer Betriebsversammlung über die bKV und das Angebot informiert, ist unser bKV-Experte mit vor Ort. Das Ganze wird unterstützt durch Videos, die wir in verschiedenen Sprachen anbieten. Und die bKV läuft bei uns auch über eine App. Wir helfen, damit das bKV-Angebot auch genutzt wird. 

Abschließende Frage: Welche Trends werden wir in der bKV sehen?

Sevin: Ich denke, dass der bKV-Markt weiter wachsen wird, bedingt durch den Fachkräftemangel und weil durch die Umstände der letzten Jahre der Fokus auf Gesundheit gelegt wird und jedem bewusst wurde, wie wichtig gesunde Mitarbeiter sind. Wenn ich durch eine bKV einem Mitarbeiter die Möglichkeit gebe, Vorsorge in Anspruch zu nehmen, sei es Zahnvorsorge oder andere Vorsorgeuntersuchungen, dann tue ich dem Mitarbeiter damit was Gutes aber auch dem Unternehmen selbst. Weil es dafür sorgt, dass der Mitarbeiter vielleicht weniger ausfällt. Und damit ist es ja schon die Win-Win-Situation. 

Markovic-Sobau: Die bKV sollte ein „Must have“ für ein Unternehmen sein. Was ich mir wünschen würde, ist mehr Kreativität bei den Versicherungsgesellschaften. Mir fehlen Innovationen. Wenn sich ein, zwei, drei Versicherer, die noch keinen Budgettarif haben, echte Innovation überlegen würden, also kreative Problemlösungen: Ich glaube, das würde dem Reichtum der Angebotspalette guttun. Was mir auffällt: Die Budgettarife sind sehr austauschbar. Ich persönlich empfinde das als Verschwendung von Kraft, Ressourcen, Kreativität. Ich wünschte, es käme mal ein weiterer Versicherer mit einer coolen Innovation. Denn das Feld im dem Segment bKV ist breit. 

Böhm: Dann seien Sie gespannt auf unseren neuen Budget-Tarif! Ich möchte aber dem offiziellen Marktstart nicht vorgreifen. Ganz allgemein ist der bKV-Markt noch jung und voller Potenzial – sowohl für Budgettarife aber auch für andere Bereiche wie beispielsweise der betrieblichen Pflegeversicherung. Hier gibt es erste Ansätze im Markt, etwa CareFlex Chemie oder eine bKV-basierten Pflegeabsicherung der Firma Henkel. Auch auf diesem Gebiet sind sicher noch spannende neue Lösungsansätze zu erwarten. Außerdem wäre es wichtig, dass der Gesetzgeber die bKV deutlich attraktiver macht, indem er die Konkurrenzsituation bei den Sachbezügen auflöst. Ein deutliches Zeichen wäre hier die Etablierung eines Drei-Säulen-Modells für die Krankenversicherung – ähnlich dem der Altersvorsorge – mit der bKV als eigenem Durchführungsweg inklusive großzügigerer Grenzen für steuer- und sozialabgabefreie Zuwendungen des Arbeitgebers.

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