Pflichtjahr für Rentner? Fratzschers Vorschlag löst breite Kritik aus

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Marcel Fratzscher, Präsident des DIW

Der Vorschlag des Ökonomen Marcel Fratzscher zur Einführung eines verpflichtenden sozialen Jahrs für Rentner und kontroverse Aussagen des Wissenschaftlers über die ältere Generation haben Kritik und Widerspruch ausgelöst.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) wies Vorwürfe des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus einem aktuellen „Spiegel“-Interview zurück, wonach die sogenannte Boomer-Generation (zwischen Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre Geborene) zu wenig Kinder bekommen habe. „Wieso sollten ausschließlich die Jungen für diese Lebensentscheidungen der Babyboomer geradestehen?“, hatte Fratzscher gefragt.

„Die „Lebensentscheidung“, keine vier Kinder zu bekommen, erfolgte bei Millionen Menschen auch aus finanziellen Gründen“, sagte SoVD-Chefin Michaela Engelmeier der Deutschen Presse-Agentur und verwies auf eine gestiegene Notwendigkeit zur Erwerbsarbeit für beide Partner wegen steigender Kosten. „Ihnen nun daraus einen Strick zu drehen, dass man sich zur Strafe gefälligst im Rentenalter engagieren müsse, empfinden wir als respektlos“, fügte Engelmeier hinzu.

Kritik kommt auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): „Ein Pflichtjahr für Rentner lehnen wir ab. Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, hat seinen Ruhestand unbedingt verdient. Wir warnen davor, mit solchen Vorschlägen Generationen gegeneinander auszuspielen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der dpa. „Die Frage, wer tatsächlich auf wessen Kosten lebt, ist in allererster Linie eine Frage zwischen Reich und Arm, also zwischen Kapital und Arbeit, und nicht etwa zwischen den Generationen.“


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Der DIW-Präsident hatte im „Spiegel“ kritisiert, Lösungen von Problemen wie Personalmangel in Bereichen wie Pflege, Gesundheit oder Verteidigung würden häufig den Jungen aufgebürdet und eine fairere Verteilung der Lasten gefordert. „Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen“, sagte Fratzscher.

„Wir sollten ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner einführen. Gesundheitlich werden das manche nicht können, aber dafür gibt es auch bei jungen Leuten Regelungen“, schlug der 54-Jährige vor. Mit Blick auf den Verteidigungsbereich erläuterte Fratzscher, benötigt würden technische Fähigkeiten. „Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden?“

Fratzscher beschäftigt sich in einem Buch, das kommende Woche erscheint, mit dem Thema Generationengerechtigkeit. Im „Spiegel“-Interview wirft er der älteren Generation „zu viel Ignoranz, Selbstbezogenheit und Naivität“ vor. Die Last für die junge Generation müsse tragfähig bleiben. Auch der Soziologe und Generationenforscher Klaus Hurrelmann (81) hatte sich für einen sozialen Pflichtdienst für Senioren „am Ende ihres Arbeitslebens“ ausgesprochen. Gesellschaftliche Aufgaben wie die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit sollten von allen Generationen getragen werden.

Rentner-Dienst und „Boomer-Soli“

Der Vorschlag für einen Rentner-Dienst ist nicht der einzige kontroverse Vorstoß aus Fratzschers DIW. Mitte Juli hatte das Institut sich bereits für einen „Boomer-Soli“ starkgemacht – eine Solidaritäts-Sonderabgabe auf sämtliche Alterseinkünfte. Dies könne ein wichtiger Baustein zur Stabilisierung des Rentensystems in Deutschland sein.

Der Soli würde fällig auf alle Alterseinkünfte von Senioren, deren Einkommenshöhe zu den obersten 20 Prozent gehört, erläuterte Fratzscher im „Spiegel“. Beamte und Selbstständige und „auch Vermögende mit fünf Immobilien“ würden einzahlen. „Zugutekäme das den 40 Prozent Rentnern mit den geringsten Einkommen.“ (dpa-AFX)

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