„Die Politik muss liefern“

Cash.: Die bezahlen allerdings in jedem Fall. Schließlich haben Sie und andere Experten bislang Rettungspakete gefordert, um die Euro-Zone zusammenzuhalten. Nun plötzlich das Gegenteil: die Währungsunion zerstören, um sie zu retten?

Halver: Nicht plötzlich. Wir haben es nun bereits seit Mai 2010 versucht, aber die Maßnahmen greifen leider nicht. Die sparenden Länder gehen direkt in die Rezession. Politiker üben sich in Vielstimmigkeit und epochal gefeierte Beschlüsse gelten keine zwei Wochen mehr. Außerdem sind die Maßnahmen noch nicht von den Parlamenten ratifiziert, ein weiteres Risiko. Wenn die Finanzmärkte den Akteuren nicht einmal mehr zutrauen, mit Griechenland und Portugal klarzukommen, gleicht dies einer Einladung, auch gegen Italien und Spanien zu wetten, die bereits mit unschönen Methoden durch die EZB gestützt werden. Das Ganze muss schnell gehen, andernfalls droht angesichts der sozialen Unruhen in den Peripherieländern die Gefahr, dass diese unkontrolliert austreten. Und eine zu kleine Euro-Zone rechnet sich für Deutschland nicht. All dies spricht für ein klares Signal, beide Kandidaten sollten Euroland eng verbunden und als Absatzmärkte erhalten bleiben. Mit dem gesparten Geld sanieren wir jene Banken, die unter den Austritten besonders leiden.

Cash.: Schon wieder Banken retten? Geht unter den Instituten erneut das Misstrauen um?

Halver: Ja, die Risikoaufschläge für Bankenanleihen sind bereits wieder auf dem Niveau des Jahres 2008. Wie groß das Misstrauen ist, hat vor wenigen Wochen der Absturz von Bankaktien gezeigt. Damit wächst die Angst vor einem Credit Crunch, also einer erneuten Kreditklemme, weil die Banken kein Risiko mehr eingehen wollen. Am Markt für Unternehmensanleihen sind große Stückzahlen momentan schon nicht mehr zu verkaufen. Die Akteure halten ihr Pulver trocken, um es vorsichtig auszudrücken.

Cash.: Keine Börsengänge, keine Corporate Bonds, keine Kredite – wenn Unternehmen kein Kapital für ihre Investitionen bekommen, droht abermals eine Rezession. Wie wahrscheinlich ist dieser Worst Case?

Halver: Den sehe ich bei 25 Prozent. Im Gegensatz zur Lehman-Pleite ist heute hinreichend Liquidität vorhanden. Diesmal liegt die Ursache in einer selbstverschuldeten Unsicherheit, die den Blick auf fundamentale Daten verstellt und die Risikobereitschaft der Investoren lähmt.

Cash.: Damals haben Politik und Finanzindustrie doch Besserung gelobt: Wettbewerb statt „too big to fail“. Warum hat man nicht aus der Finanzkrise gelernt und das Kartell der Großbanken gestutzt?

Halver: Solange es schlecht läuft, gelten harte Reformen als zu gefährlich. Damals hieß es auch, zuerst werde stabilisiert und dann Hand angelegt. Große angelsächsische Adressen hinreichend runterzuschrauben, ohne dass die Finanzmärkte Schaden nehmen, erschien unmöglich. Reformen müssen kommen, wenn es gut läuft, aber dann fehlen die Argumente.

Cash.: Es ginge uns doch mit vielen kleinen Baader Banken besser?

Halver: Ja, also diesem Schlusswort habe ich nichts hinzuzufügen.

Interview: Marc Radke

Foto: Baader Bank

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