Das Versicherungsjahr 2022 – Ein Jahr voller Wendepunkte

Wohin geht die Sachversicherung?

Spannend war das Jahr hingegen in der Schaden- und Unfallversicherung. „Es ist noch nie schwierig gewesen, eine Prognose zu wagen, wie in diesem Jahr“, sagte Assekurata-Geschäftsführer Dr. Reiner Will bei der Vorstellung des Marktausblick Schaden- und Unfallversicherung im Juni 2022.

Was die Schäden betrifft, war 2022 nach dem Annus Horribilis 2021 für die Sachversicherer jedenfalls ein gutes Jahr. So sind im abgelaufenen Jahr nach Angaben des GDV durch Sturm, Hagel und Starkregen versicherte Schäden von 4,3 Milliarden Euro entstanden. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft stufte 2022 damit wieder als „durchschnittliches Naturgefahrenjahr“ ein – mit vielen Versicherungsfällen, aber ohne ein Extremereignis wie die schwere Flut in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Vorjahr.

Für 2021 hatte der GDV die versicherten Schäden durch Naturgefahren in Deutschland auf 12,6 Milliarden Euro beziffert – so viel wie noch nie seit Beginn der Statistik Anfang der 1970er Jahre. Knapp ein Drittel dieser Schäden war nicht durch das Hochwasser in NRW und Rheinland-Pfalz verursacht.

„Die Schäden 2022 an Häusern, Hausrat, Betrieben und Kraftfahrzeugen liegen nur marginal über dem langjährigen Durchschnitt von 4,2 Milliarden Euro“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Die schwersten Schäden verursachten die Orkane Ylenia, Zeynep, Antonia im Februar. „Mit insgesamt 1,4 Milliarden Euro liegt die Sturmserie auf Platz drei der schwersten Winterstürme seit 2002“, so Asmussen. Prävention und Klimafolgenanpassung seinen der Dreh- und Angelpunkt, damit Kosten durch Naturkatastrophen und damit auch Versicherungsprämien zukünftig nicht aus dem Ruder liefen.

Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV

Gerade die Entwicklung bei den Prämien dürften den Unternehmen und auch Kunden einige Kopfschmerzen bereiten. Denn Ukraine-Krieg, gestörte Lieferketten und massiv steigende Inflationsraten haben auch hier die Vorzeichen im Laufe des Jahres deutlich verändert.

Nach Aussage von Dennis Wittkamp, Fachkoordinator Schaden- und Unfallversicherung bei der Kölner Rating-Assekurata, hatten die Schäden aus dem Jahr 2021 in Kombination mit dem Ukraine-Krieg, gestörten Lieferketten und der massiven Inflation teils drastische Folgen für die Versicherer für das Jahr 2022.

„Wir haben eine Ersatzteilinflation“, sagte Wittkamp bei der Vorstellung des Marktausblickes Schaden- und Unfallversicherung im Juni 2022. 2021 lag diese laut Wittkamp bei rund sechs Prozent, während die Standardinflation bei lediglich 3,1 Prozent lag. Wenn man davon ausgehe, dass dieses Verhältnis gleich bleibe – bei derzeitigen Inflationsraten von sechs bis sieben Prozent – sei davon auszugehen, dass die Inflation bei den bei Ersatzteilen, deutlich zunehmen werde, prognostizierte der Experte im Sommer. Die Störung der Lieferketten und der Ukraine-Krieg würden die Preise zusätzlich treiben, so Wittkamp weiter. Das werde sich 2023 zwangsläufig in den Prämien widerspiegeln müssen.

Bestätigung kam von Uwe Schumacher, Vorstandsvorsitzender der Domcura AG, dann im August 2022. „In früheren Jahren lagen die Schadeninflationsquoten typischerweise zwischen einem halben Prozent und vielleicht dreieinhalb oder auch mal vier Prozent. Eine Beitragsanpassung in dieser Größenordnung würde aber bei weitem nicht ausreichen, weil beispielsweise Holz – ein wichtiger Rohstoff in der Wohngebäudeversicherungssparte – um 50 Prozent, teilweise sogar um mehr als 150 Prozent teurer geworden ist. Wir regulieren also jetzt jeden Monat Schäden, für die wir fast zehn Prozentpunkte mehr allein durch die Inflation bezahlen. Die haben wir – genau wie die anderen Unternehmen – in unseren Prämien gar nicht einkalkuliert. Diese zehn Punkte finanzieren wir sozusagen vor, was bedeutet, dass für uns jeder Schaden eigentlich ein Verlustgeschäft ist.“

Man müsse jetzt antizipieren, wie die Inflation in 2023 weiterläuft. Bleibe sie bei zehn Prozent, würden selbst 15 Prozent Beitragserhöhung nicht ausreichen, sagte Schumacher beim Cash. Extra Roundtable Sachversicherungen im Sommer 2022 gegenüber der Redaktion. Spätestens jetzt war klar, dass das Jahr 2022 die deutschen Schaden- und Unfallversicherer vor zahlreiche Herausforderungen stellt.

Die Unsicherheit, die dieses Jahr beherrschte, dürfte auch im kommenden Jahr für weitere Verunsicherung in der Sachsparte sorgen. Denn selbst wenn die Corona-Pandemie in Europa der Vergangenheit angehören wird, der Krieg in der Ukraine geht unvermindert weiter. Hinzu kommen weiter hohe Zinsen, eine Inflationsrate deutlich über acht Prozent und Lieferketten, die immer noch gestört sind.

„Der anhaltende Krieg in der Ukraine und die pandemiebedingten Störungen von Lieferketten dämpfen aktuell die wirtschaftliche Erholung. Auf dieser Basis rechnen wir für 2022 mit einem marktweiten Beitragswachstum von 1,7 Prozent“, prognostizierte Assekurata-Mann Wittkamp im Juni.

Die Versicherer erwarteten zu der Zeit noch ein Beitragswachstum von 4,1 Prozent in diesem Jahr und von 3,4 bis 5,6 Prozent 2023. Ein halbes Jahr haben sich die Vorzeichen geändert. Aktuell erwarten nur noch drei Prozent der Versicherer, dass sich ihre Geschäftslage verbessern wird. Im Gegensatz dazu erwarten 36 Prozent eine Verschlechterung. „Insgesamt zeichnet der Sektor derzeit ein eher pessimistisches Bild von Geschäftslage und Aussichten“, fasst GDV-Hauptgeschäftsführer Asmussen die Lage zusammen.

„Die hohe Unsicherheit für die Unternehmen ergibt sich insbesondere daraus, dass die verschiedenen Einflussfaktoren zum Teil in Abhängigkeit zueinanderstehen, teilweise aber auch gegenläufige Auswirkungen haben“, sagte Wittkamp im Juni. Eskaliere der Krieg weiter? Gebe es zusätzliche Sanktionen? „Beides nimmt auch Einfluss auf die Geldpolitik und damit auf die Inflation, welche wiederum maßgeblichen Einfluss auf die Schadenaufwände hat.“ Der Geschäftsverlauf 2023 werde maßgeblich auch davon abhängen, in welcher Form und wie schnell sich die gesamtwirtschaftliche Situation wieder normalisiere, so Wittkamp.

Die Erwartungen der Unternehmen deuten zumindest nicht auf eine Normalisierung hin. Zumindest derzeit.

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