Neues Urteil zur Urlaubsverjährung: Was Arbeitgeber wissen sollten

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Arbeitgeber müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Arbeitnehmer ihren Urlaub wirklich wahrnehmen.

Die operative und finanzielle Alarmstimmung, für die das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinen beiden Entscheidungen zur Urlaubsverjährung kurz vor Weihnachten (20. Dezember 2022) bei vielen Arbeitgebern gesorgt hat, hat es mit einem neuen Urteil nun zumindest ein wenig reduziert und begrenzt. Zwei Anwälte der Kanzlei Schultze & Braun klären auf

Die Erfurter Richter haben am 31. Januar 2023 entschieden, dass die finanzielle Abgeltung von nicht genommenem Urlaub weiterhin nach drei Jahren verjährt (Aktenzeichen: 9 AZR 456/20) – und das auch ohne regelmäßige Erinnerung, allerdings nur, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde. „Nach Auffassung des BAG stellt die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zäsur dar, durch die der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr regelmäßig auf die Verjährung hinweisen muss“, sagt Aribert Panzer, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Schultze & Braun. „Die Frist für die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.“ 

Größte Sorgfalt beim Thema Urlaub weiterhin wichtig

„Nach dieser Entscheidung müssen Arbeitgeber zumindest nicht mehr befürchten, dass ausscheidende Arbeitnehmer von ihnen die Auszahlung offener Urlaubsansprüche aus einer Vielzahl an Jahren verlangen können“, erläutert Joachim Zobel, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun und Leiter des Arbeitsrechtsbereichs der Kanzlei. „Wichtig ist allerdings weiterhin, dass Arbeitgeber beim Thema Urlaub mit größter Sorgfalt agieren.“ Das Urteil von Ende Januar betrifft die finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer getrennte Wege gehen. Es ändert nichts daran, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auf Basis der Entscheidung des BAG vom 20. Dezember 2022 regelmäßig darauf hinweisen müssen, ihren Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen – andernfalls verfallen und verjähren die Urlaubsansprüche nicht. „Um bei  Urlaubsansprüchen operativ und finanziell auf der sicheren Seite zu sein, müssen Arbeitgeber bei der Urlaubsplanung ihrer Mitarbeitenden noch aktiver sein als bislang ohnehin schon – und regelmäßig das Gespräch mit ihnen suchen“, sagt Zobel. 

Vorgehensweise beim Thema Urlaub prüfen

Zobel und Panzer empfehlen Arbeitgebern, die jüngsten Entscheidungen des BAG zum Anlass nehmen, ihre Vorgehensweise beim Thema Urlaub zu überprüfen. Fakt ist: Arbeitgeber müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Arbeitnehmer ihren Urlaub wirklich wahrnehmen. Was das bedeutet, ist spätestens seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Az.: 9 AZR 541/15) aus dem Februar 2019 klar: Ein Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer formal und rechtzeitig darauf hinweisen, dass sie noch Urlaubstage übrig haben und diese verfallen können. „Wichtig ist dabei, dass der Arbeitgeber auch nachweisen kann, dass er seine Arbeitnehmer an ihre verbleibenden Urlaubstage und den möglichen Verfall und die Verjährung erinnert hat“, sagt Panzer. Denn nur dann verfällt der Jahresurlaub der Arbeitnehmer zum Ende des Jahres (bzw. zum 31. März des Folgejahres) oder verjährt nach drei Jahren. „Wichtig ist: Jetzt müssen Arbeitgeber zusätzlich noch darauf achten, dass sie ihre Arbeitnehmer auf die Verjährung ihrer Urlaubsansprüche nach drei Jahren aufmerksam machen“, so der Spezialist für das Thema Urlaub. 

Konket unkonkret

„Die Informations-Pflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, die sogenannte Hinweisobliegenheit, ist leider konkret unkonkret ausgestaltet“, sagt Zobel. „Es ist schlichtweg unklar, was ‚formal und rechtzeitig‘ hinweisen ganz konkret heißt.“ Erinnere der Arbeitgeber zu früh im Jahr – etwa bereits im Frühjahr – fehle dem Hinweis die Wirkungskraft. Je näher das Jahresende rücke, desto wirksamer würden Erinnerungen oder gut gemeinte Warnungen vor einem Urlaubsverfall. Allerdings komme es dann mitunter vor, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht mehr im laufenden Geschäfts- und Kalenderjahr nehmen könne, so der Leiter des Arbeitsrechtsbereichs bei Schultze & Braun. Es ist daher für Arbeitgeber ratsam, das Thema Urlaub regelmäßig anzusprechen, beispielsweise alle drei Monate. Der Vorteil bei solch einem regelmäßigen Turnus ist, dass alle informiert bleiben und das Thema und die Nerven der Beteiligten auch nicht überstrapaziert werden.

Wichtig ist, dass ein Arbeitgeber bei diesen Hinweisen aber zum Beispiel auch langzeitkranke Arbeitnehmer informiert – etwa für das Kalenderjahr, in dessen Lauf die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. „Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Arbeitgeber die Information ihrer Arbeitnehmer schriftlich dokumentieren und sich von den Arbeitnehmern innerhalb einer angemessenen Frist bestätigen lassen, dass sie die Information erhalten und verstanden haben“, sagt Panzer. Das gemeinsame Ziel von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollte es sein, die Urlaubswünsche abzufragen, um diese bei der Festlegung des Urlaubs mit den betrieblichen Notwendigkeiten abzustimmen. „Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich austauschen, profitieren beide Seiten davon und das Thema Urlaubsplanung ist – trotz ungenauer Definition – keine unlösbare Aufgabe“, fasst Zobel zusammen. 

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