Es war einmal die schöne heile Analystenwelt

Inflationsbekämpfung nicht mehr nach Art der Bundesbank

Und wie soll man die real existierende euroländische Geldpolitik einschätzen, die unter dem Helfersyndrom leidet und ihren klaren Auftrag, auf Stabilität zu setzen, nur noch in unverbindlichen Sonntagsreden verfolgt. Das Ganze erinnert mich sehr an die Studentenbewegung von 1968. Der geistige Mentor der EZB, die Deutsche Bundesbank, wurde einfach aus den Hörsälen getragen, weil der inflationsbekämpfende Muff unter den Talaren nur die Happy Hour der Konjunktur- und Bankenstützung stört.

Zum geldpolitischen Schwur wird es im Zuge der Krise in Nordafrika bzw. dem arabischen Raum kommen. Denn hier geht es nicht zuletzt auch um Öl, das immer noch einen dramatischen Einfluss auf die Preisentwicklung hat. So hat das bereits jetzt zu beobachtende Preisniveau das Potenzial, die Inflation auf drei Prozent anzuheben.

Trotzdem ist es zum heutigen Zeitpunkt alles andere als sicher, dass die EZB – neben aller falkenhaften Verbalerotik – den Kampf gegen die Inflation mit Inbrunst aufnimmt, da das Mutter-Theresa-Prinzip schwerer wiegt. „Lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit“ sagte einst Helmut Schmidt. Während diese Aussage damals bei der Bundesbank noch auf taube Ohren stieß, scheint sie heute wie der süßeste Schalmaienklang auf die Verantwortlichen bei der EZB zu wirken.

Ja in der Tat, früher fußte die Einschätzung der Kapitalmärkte auf stabilen und rationalen Vorgaben. Und leider muss man feststellen: Am Aschermittwoch ist nicht alles vorbei. Der Karneval in der Finanz- und Geldpolitik geht weiter. Aber auch das hat ja seinen analytischen Reiz.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.


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Foto: Baader Bank

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