Zu unrecht unbekannt

Aufgrund von Vorschriften, die den jährlichen Ausweis fauler Kredite beschränken – ein beklagenswertes Überbleibsel des staatlich kontrollierten Bankensystems – hat sich die Ertragskraft vieler vietnamesischer Banken erst in jüngster Zeit wirklich zu erholen begonnen. Das aktuelle Umfeld aus besser kontrollierter Inflation und einem sich beschleunigenden Kreditwachstum hat zu einer Zeit, in der die Erträge wieder steigen, dem Sektor sogar einen regelrechten Aufschwung beschert.

Doch obwohl es einige positive strukturelle Veränderungen gibt – wie eine verbesserte Regulierung und die Abkehr von einer übermäßigen Kreditvergabe an Unternehmen in Staatsbesitz –, existiert weiterhin eine Reihe von Kreditpraktiken, die kontraproduktiv sind. Wenn zudem die gegenwärtigen Kreditwachstumsraten weiter Bestand haben sollen, werden die meisten Banken beträchtliches Kapital aufnehmen müssen.

Die Kreditaufnahme der Verbraucher schließlich mag zwar von einem niedrigen Ausgangsniveau erfolgen; das zuletzt anziehende Wachstum und die begrenzte Erfassung durch Kreditauskunfteien deuten jedoch darauf hin, dass sich in puncto Aktivaqualität bereits neue Herausforderungen anbahnen.

Exposure nicht nur gegenüber Vietnam

Die Möglichkeit, vom Aufstieg Vietnams zu profitieren, ist nicht nur auf das Land selbst beschränkt. Tatsächlich gibt es zahlreiche Unternehmen in der Region, die ihre Produktions- oder Vertriebskapazitäten zunehmend nach Vietnam verlagern. Im jüngsten „Ease of Doing Business“-Ranking der Weltbank mit 190 Ländern stieg Vietnam um 14 Plätze auf Rang 68 und nach dem Willen der Führung des Landes soll Vietnam eine der vier investorenfreundlichsten Volkswirtschaften in Südostasien werden.

Dies und die Tatsache, dass die vietnamesischen Löhne nach wie vor nur ein Drittel so hoch sind wie in Chinas Küstenstädten, machen das Land zu einem sehr attraktiven Ziel für Anlageinvestitionen. Der verstärkte Handel hat jedoch auch Folgen gehabt, die als umstrittener gelten, wie etwa die intensiven Investitionen Chinas.

Diese bestehen zu einer Zeit, in der die Beziehungen wegen konkurrierender Seegrenzansprüche ohnehin schon belastet sind. Über die chinesische Infrastrukturinitiative „One Belt, One Road“ herrscht in Vietnam folgende Meinung: Wenn Du die Straße nicht akzeptierst, bekommst Du den Gürtel.

Kambodscha: aufstrebender Grenzmarkt

Kambodscha ist anders. Das Land ist für die chinesischen Investitionen sehr empfänglich gewesen – nicht zuletzt deshalb, weil sie im Unterschied zu manchem westlichen Kapital an keine demokratischen Reformforderungen gebunden sind. Trotz seiner schwach ausgebauten Infrastruktur und gering qualifizierten Erwerbsbevölkerung hat sich Kambodscha als Ziel für Niedriglohnbeschäftigungen im Textilbereich als äußerst konkurrenzfähig erwiesen, da das Land über junge und somit günstige Arbeitskräfte verfügt.

Von der jüngeren Vergangenheit Kambodschas einmal abgesehen, verfügt das Land über eine reiche Geschichte mit insgesamt drei Weltkulturerbe-Stätten, was es zu einem beliebten Urlaubsziel macht. 2016 trug der Reise- und Tourismussektor Schätzungen zufolge insgesamt fast 30 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und rund ein Viertel der Arbeitsplätze waren hier angesiedelt.

Das weitere Wachstum in der Tourismusbranche zu fördern, ist ein Kernelement von Kambodschas Entwicklungsagenda. Dabei will man vor allem noch mehr Besucher aus China anziehen – ein Land, das bereits rund ein Fünftel aller Touristen stellt und dessen Besucherzahlen sich dank neuer Flugrouten laut Prognosen bis 2020 verdoppeln sollen.

Das Universum der börsennotierten Aktien ist in Kambodscha allerdings sehr begrenzt und es gibt nur wenige attraktive Anlagegelegenheiten. Anleger können aber trotzdem am steigenden Tourismus partizipieren, wenn auch nur über Unternehmen, die im Ausland gelistet sind.

Vielfältige Chancen

Kambodscha und Vietnam sind zwei Länder, in denen verschiedene Risiken zusammenkommen, aber auch vielfältige Chancen erkennbar sind. Die Unterscheidung, ob Wachstum von günstigen zyklischen Faktoren oder einem zugrundeliegenden Strukturwandel herrührt, wird bei der Beurteilung der Entwicklungsqualität und der Vermeidung von Spekulationsblasen weiter eine Schlüsselrolle spielen.

Die Transformation dieser Länder mag nicht für alle Unternehmen positiv sein. Jene aber, die über ein robustes Geschäftsmodell verfügen und für strukturelle Veränderungen positioniert sind, entstehen deutlich größere Wachstumschancen, als in den die meisten anderen Schwellen- und entwickelten Märkten.

Charles Sunnucks ist Assistant-Fondsmanager Emerging Markets bei Jupiter Asset Management

Foto: Jupiter AM

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