Kein Irrweg! Deutsche Rentenpolitik im Lichte der Finanzkrise

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Vorwurf 3: Die Riester-Rente verteuert die Altersabsicherung

Auch das Argument, dass die Belastung der Arbeitnehmer durch den Teilausstieg aus dem Umlageverfahren und der diese Leistungsrücknahmen kompensierenden Riester-Rente in der Summe höher sei, als sie es bei einem Verzicht auf die Niveauabsenkung in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen wäre, kann allenfalls Nicht-Ökonomen beeindrucken. Ohne die Niveauabsenkung als Folge der Reformen von 2001 und 2004 würde der Rentenversicherungsbeitrag bis 2030 auf etwa 26 Prozent ansteigen, der hälftige Arbeitnehmeranteil würde dann 13 Prozent betragen. Bei der jetzigen Rechtslage jedoch, so das IMK, müssten die Arbeitnehmer bei dem gesetzlich festgeschriebenen maximalen Beitragssatz von 22 Prozent einschließlich der Beitragsleistung zur Riester-Rente in der Summe 15 Prozent (elf Prozent gesetzliche Rentenversicherung plus vier Prozent Riester-Rente) ihres Bruttoeinkommens aufbringen. Daraus wird gefolgert, dass die Arbeitnehmer  ihre Ausgaben für den privaten Konsum verringern müssen, um diese Mehrbelastung von zwei Prozentpunkten zu kompensieren. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die 22 Prozent zur gesetzlichen Rentenversicherung paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die Beiträge zur Riester-Rente aber nur von den Arbeitnehmern finanziert würden.

Doch diese Argumentation ist aus drei Gründen fragwürdig: Erstens ist bei einem höheren Beitragssatz der Bundeszuschuss höher. Ein Beitragssatzpunkt bedingt einen höheren Bundeszuschuss von etwa 1,8 Milliarden Euro, die zusätzlich von den höheren Beiträgen von den Steuerzahlern – also vorrangig von den Arbeitnehmern – zu finanzieren wären. Zweitens werden die vier Prozent Beiträge zur Riester-Rente nicht allein von den Versicherten getragen. Es gibt Zulagen und Steuervergünstigungen. Seit der Einführung im Jahr 2001 bis Mitte 2009 sind allein für die Zulagen insgesamt 5,5 Milliarden Euro geflossen und die Förderquote kann bis über 90 Prozent der gesamten Sparleistung betragen.

Schließlich und endlich überrascht es, wenn in einer wirtschaftswissenschaftlichen Studie suggeriert wird, dass die von den Arbeitgebern gezahlten Beitragsanteile auch von ihnen getragen würden. Dieser Annahme liegt eine Verteilungsillusion zugrunde. In einer Marktwirtschaft ist jeder Arbeitsplatz so etwas wie eine Investition, die ein Arbeitgeber dann – und nur dann – tätigt, wenn er erwartet, dass sich dadurch – zumindest in der mittleren Frist – sein Unternehmensergebnis verbessert. Dies wiederum bedeutet, dass die beschäftigten Arbeitnehmer mit ihrer Produktivität ihre gesamten Arbeitskosten und damit natürlich auch die Arbeitgeberanteile erwirtschaften müssen. Arbeitgeberanteile sind deshalb aus ökonomischer Perspektive nichts anderes als vorenthaltener Barlohn. Und eine Erhöhung des Arbeitgeberanteils würde entweder in den Tarifrunden mit sonst möglichen Barlohnerhöhungen verrechnet werden oder hätte eine Entlassung der Arbeitnehmer zur Folge, deren Produktivität nicht ausreicht, die durch den erhöhten Arbeitgeberanteil gestiegenen Arbeitskosten zu erwirtschaften.

Die Arbeitnehmer zahlen deshalb zwar nur die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge, sie tragen sie aber zumindest mittel- bis langfristig immer zur Gänze. Daher ist auch das Argument, dass der Arbeitgeberanteil die Beitragslast in der gesetzlichen Rente verringert, zwar süffig, aber ökonomisch nicht überzeugend. Der fehlende Arbeitgeberanteil bei der Riester-Rente – jenseits des qualitativen Unterschieds zwischen Transfereinkommensansprüchen aus der gesetzlichen Rente und privatrechtlich geschützten Ansprüchen auf ein Markteinkommen aus der Riester-Rente – ist kein überzeugendes ökonomisches Argument gegen die Form der Privatvorsorge.

Allen Unkenrufen zum Trotz: Die Alterssicherung in Deutschland ist auf dem richtigen Weg.

Professor Dr. Dr. h.c. Bert Rürup ist ehemaliger Wirtschaftsweiser und Namensgeber der Basisrente. Er ist Mitglied des Vorstands der neu gegründeten MaschmeyerRürup AG, die Banken, Versicherungen und Regierungen berät. Von 1976 bis 2009 hatte der Ökonom eine Professur im Fachbereich Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Darmstadt inne. Auch nach seiner Emeritierung lehrt er noch an dieser Hochschule.

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