BU: Zwischen Zahlenarmut, Konzeptberatung und Digitalisierung

Die vom Handelsblatt losgetretene Diskussion um die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) hat meine Neugier geweckt. Trotz der fast einhelligen Marktmeinung: Lässt sich die der BU zugeschriebene, herausragende Bedeutung belegen? Oder muss sie – am besten gleich digital – neu erfunden werden? Die Haff-Kolumne

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Tobias Haff: „Solange die BU das einzige Produkt ist und damit der Wettbewerbsdruck hoch bleibt, wird sich auch durch Digitalisierung daran nichts ändern.“

Ich musste feststellen: Statistik und BU geht schwer zusammen. Es sind schlichtweg kaum Zahlen zu finden. Dass psychische Erkrankungen den Hauptauslöser darstellen und „Rücken“ abgelöst haben, zählt inzwischen zum Allgemeinwissen. Die Zahl der BU-Fälle lässt sich dagegen nur erahnen.

Wenige Zahlen, kaum Daten und nur ein paar Fakten

Die Analysehäuser Morgen & Morgen und Franke und Bornberg gehen von rund 40.000 genehmigten Leistungsfällen pro Jahr aus. Rund 3,4 Milliarden Euro erhalten Kunden jährlich, schreibt der GDV. Lässt sich damit die herausgehobene Stellung des Produkts in der Beratung rechtfertigen? Zumindest in absoluter Geldleistung liegt die private Unfallversicherung fast gleich auf. Jedes Jahr werden rund 3,2 Milliarden Euro an Kunden ausgezahlt.

Auch schwere Krankheiten sind nicht zu unterschätzen. Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs – mehrere hunderttausend Fälle treten jedes Jahr bei Unter-65-Jährigen auf und sind eine Gefahr für die Arbeitskraft. Je mehr man schaut, um so weiter wird das Feld. Arbeitskraftabsicherung ist mehr als nur BU.

Konzept statt Einzelprodukt

Der Hype wurde sofort aufgegriffen. Passenderweise kündigte Getsurance, an dem der BU-Experte Franke und Bornberg beteiligt ist, gleich die Neuerfindung der BU an. In einem Interview wurde sogar von der Gründung des ersten deutschen, digitalen Lebensversicherers hierfür gesprochen. Spannend ist dabei weniger das Digitale, als der Gedankenansatz dahinter.

Denn es soll ein Beratungskonzept zur Arbeitskraftabsicherung entstehen. Das macht Sinn bei der Vielzahl an bestehenden Lösungen, die sich teils an verschiedenste Zielgruppen richten und oft stark abhängig von der jeweiligen Lebenssituation sind. Und angesichts der vielen Risiken, denen der Kunde gegenübersteht. Es ist Zeit in Konzepten zu planen und zu beraten.

Abwicklung bleibt auch digital komplex

Ob die Digitalisierung der wichtigste Stellhebel für eine bessere Beratung und Abwicklung ist, bleibt für mich aber offen. Risikolebensversicherungen lassen sich seit fünf Jahren zu 100 Prozent online abschließen. Das gilt in gleicher Weise für die BU. Die Abwicklung der Produkte ist weniger der Technik wegen kompliziert, sondern aufgrund ihrer Risikoprüfung.

Dies liegt an versicherungsmedizinischen Vorgaben durch den harten Prämien- und Leistungswettbewerb. Solange die BU das einzige Produkt ist und damit der Wettbewerbsdruck hoch bleibt, wird sich auch durch Digitalisierung daran nichts ändern. Umfassendere Beratungskonzepte und das Einbeziehen der unterschiedlichen Absicherungsprodukte können hier viel mehr ändern.

Tobias Haff ist COO des B2B-Insurtech-Unternehmens massUp. Davor hat er Procheck24, den B2B-Bereich des Vergleichsportals Check24, aufgebaut. Bereits seit 1997 entwickelt er Internetprojekte mit dem Fokus auf Finanzdienstleistungen. Er hat den Markt für unabhängige Ratenkreditvermittlung in Deutschland maßgeblich mitgeprägt, Produktinnovationen zur Einkommensabsicherung und Online-Vertriebstools für Finanzvermittler erfolgreich am Markt eingeführt.

Foto: Tobias Haff

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