Plausibilitätsprüfung: Das meinen die Anwälte wirklich

Die Missverständnisse werden offenbar zum Teil bewusst geschürt, um entsprechende Dienstleistungen an den Mann zu bringen. Basis dafür ist dem Vernehmen nach in erster Linie ein Beschluss des BGH vom 17. September 2009 (XI ZR 264/08). Darin heißt es: „Ein Anlageberater ist (…) selbst zur Überprüfung des Prospektes verpflichtet.“

Das klingt zunächst in der Tat nach der Pflicht des Vertriebs, eine eigene Prüfung nachweisen zu müssen. Der Satz steht jedoch lediglich in Zusammenhang damit, dass die damals zur Übernahme von Verfahrenskosten verurteilte Bank sich nicht mit dem Verweis auf das WP-Prospektgutachten herausreden konnte.

Ein anderer Satz aus dem Beschluss wiegt weitaus schwerer: „Die Pflichtverletzung des Anlageberaters steht aufgrund der Übergabe des falschen Prospektes (…) fest.“ Es spielt also überhaupt keine Rolle, ob der Berater die Prüfung selbst durchgeführt hat, ob dabei – von wem auch immer – ein relevanter Prospektfehler übersehen wurde oder ob er gänzlich darauf verzichtet hat.

Was die Anwälte wirklich meinen

Trotzdem antworten Juristen auf die Frage, ob ein Vermittler zu einer eigenen Plausibilitätsprüfung verpflichtet ist, regelmäßig: „Ja“. Das trifft durchaus zu, sie wollen damit jedoch eigentlich etwas anderes sagen. Was die Anwälte wirklich meinen, ist folgendes:

1.) Der Vermittler muss es merken, wenn ein Anlageprospekt nicht plausibel ist, also offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche enthält oder die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Konzepts generell in Frage steht

2.) Merkt er es nicht, haftet er

3.) Wenn er entsprechende Fehler im Prospekt feststellt, darf er die Anlage nicht vermitteln

Gerade der dritte Punkt wird für jeden Juristen eine Selbstverständlichkeit sein, die nicht extra erwähnt werden muss. Manche Vermittler hingegen scheinen weiterhin zu glauben, allein durch die dokumentierte Durchführung einer Prüfung seien sie – unabhängig von deren Ergebnis – aus dem Schneider. Dass es theoretisch auch möglich ist, einen erkannten Prospektfehler gegenüber dem Anleger (nachweislich) zu korrigieren oder auf eine unterlassene Plausibilitätsprüfung hinzuweisen, dürfte in der Praxis keine Rolle spielen.

Seite 3: Vertrieb bleibt verantwortlich

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