Plausibilitätsprüfung! Unbegrenztes Haftungsrisiko für Vermittler?

Wir haben in den ebenfalls von uns entwickelten Vermittlungsdokumentationen derartige Begrenzungen aufgenommen. In einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 10. September 2018 wurde diese Haftungsbegrenzung auch von den Richtern zum Anlass genommen, die von dem Kläger geführte Berufung zurückzuweisen.

Die Klausel in der Beratungsdokumentation ist so gestaltet, dass der Vermittler den Kunden daraufhin hinweist, dass er im Rahmen der Plausibilitätsprüfung lediglich das IDW S4-Prospektprüfungsgutachten eingesehen hat, darüber hinaus jedoch keine Recherchen erfolgt sind. Das OLG Hamburg hat diese Einschränkung als wirksam erachtet.

„Vertragspflichten wirksam beschränkt“

Hier heißt es im Hinweisbeschluss:“ Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Beklagte auch nicht zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. Zwar muss auch der Anlagevermittler nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich das Anlagekonzept, bezüglich dessen er die entsprechenden Auskünfte erteilt, zumindest auf seine wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen. Ansonsten kann er nämlich keine sachgerechten Auskünfte erteilen. Zudem muss der Vermittler, wenn er die Anlage anhand eines Prospektes vertreibt, seiner Auskunftspflicht nachkommen und im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt darauf überprüfen, ob dieser ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen sachlich richtig und vollständig sind. Unterlässt er diese Prüfung, hat er den Interessenten darauf hinzuweisen (…). Dieser Hinweispflicht hat die Beklagte aber genügt. Sie hat ausdrücklich erklärt, dass die von ihr durchgeführte Plausibilitätsprüfung auf dem Prospektgutachten beruht und sie darüberhinausgehende Recherchen nicht vorgenommen hat. Damit hat sie den Umfang ihrer Vertragspflichten wirksam beschränkt.“

Prospektprüfungsgutachten weiter benötigt

Die Vermittlungsdokumentation kann daher auch dazu eingesetzt werden, den Pflichtenkreis des Vermittlers einzuschränken und Haftung zu begrenzen. Diese Möglichkeit sollten Vermittler nutzen!

Die Rechtsprechung zeigt dabei, wie wichtig es ist, dass die Emittenten weiterhin Prospektprüfungsgutachten anbieten. Es ist fraglich, ob die Gerichte soweit gehen, dass sich der Anlageberater grundsätzlich von einer Plausibilitätsprüfungspflicht in standardisierten Formulierungen seiner Vermittlungsdokumentation freisprechen kann. Beschränkungen sind möglich, vollständige Ausschlüsse sind immer dem Risiko ausgesetzt, dass sie von Richtern als unwirksam erachtet werden.

Die Vermittler und Berater benötigen daher weiter Prospektprüfungsgutachten als Orientierung und Grundlage ihrer Vermittlungstätigkeit.

Autor Martin Klein ist Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter für Vertriebsrecht. Zudem ist er geschäftsführender Vorstand des Vertriebsverbands Votum.

Foto: Dierk Kruse

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