Erbrecht: Demenz und Testierfähigkeit bei notariellem Testament

Weltweit erkranken immer mehr Menschen an Alzheimerdemenz. In einem aktuellen Urteil musste das Oberlandesgericht (OLG) Hamm nun darüber entscheiden, ob eine derartige Erkrankung ein notarielles Testament wegen Testierunfähigkeit unwirksam macht.

Eine frühzeitige Vorsorge mit fachlicher Unterstützung kann die Durchsetzung der eigenen Wünsche für die Erbfolge sichern.

Im vorliegenden Fall wurden die beiden Söhne der Erblasserin im Jahre 2004 gemeinsam zu ihren rechtlichen Betreuern in Vermögensangelegenheiten ernannt. Grund war die festgestellte fortgeschrittene Alzheimerdemenz der Erblasserin.

Anfang 2007 verstarb einer der Söhne und hinterließ eine Frau und eine Adoptivtochter, worauf der verbleibende Sohn zum alleinigen rechtlichen Betreuer ernannt wurde.

Wenige Tage darauf errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem dieser Sohn als alleiniger Erbe eingesetzt wurde. Der Notar stellte bei der Beurkundung keine Auffälligkeiten im Verhalten der Erblasserin fest. Diese verstarb im Jahre 2013.

Die Adoptivtochter des verstorbenen Sohnes erhob Klage, worauf das OLG Hamm zu entscheiden hatte, ob die Erblasserin bei der Errichtung des Testaments testierfähig war und der Sohn zu Recht Alleinerbe wurde.

Testierfähigkeit hängt vom Geisteszustand ab

Nach Paragraf 2229 IV des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist eine Person testierunfähig, die wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihr abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Dabei komme es darauf an, ob der Erblasserin noch möglich war, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen, Zusammenhänge zu erfassen und eine Abwägung des Für und Widers sachgerecht vorzunehmen.

OLG entscheidet zugunsten der Klägerin

Dem OLG zufolge hatte die Erblasserin diese Fähigkeiten im Jahr 2004 bereits verloren. Im Rahmen des Betreuungsverfahrens sei durch ein Sachverständigengutachten eine mittelgradige Alzheimerdemenz festgestellt worden, die Testier- und Geschäftsunfähigkeit zur Folge hatte.

Zum drei Jahre späteren Zeitpunkt der Testamentserrichtung 2007 habe also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Testierunfähigkeit vorgelegen. Der Eindruck des Notars vom Zustand der Erblasserin bei der Beurkundung des Testaments sei unerheblich.

Auch bei langjähriger Erfahrung sei der Notar kein Universalgelehrter und könne somit den Geisteszustand der Erblasserin nicht ausreichend beurteilen. Somit gab das OLG Hamm der Klägerin Recht.

Rechtzeitig vorsorgen um Streit zu vermeiden

„Vor einer Demenzerkrankung ist keiner gefeit, jeden von uns kann es treffen. Ist eine Demenzerkrankung eingetreten, ist die rechtlich wirksame Gestaltung der eigenen Angelegenheiten nicht mehr möglich“, erklärt Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg und Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V. (DVEV).

„Geht es aber um die Vermögensnachfolge, kann rechtzeitig Vorsorge getroffen werden. Ein Testament, in „guten“ Zeiten, möglichst mit fachlicher Unterstützung errichtet, vermeidet Streit und sichert die Durchsetzung der eigenen Vorstellungen für die Erbfolge.“ (bm)

Foto: Shutterstock

 

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