Exklusiv-Interview mit Lars Gentz, Walnut Live: „Wir sind ELTIF-ready“

Gentz: So wie die ESG-Abfrage allgemein wird auch die Möglichkeit, sich bei den Principal Adverse Impacts auszutoben, aktuell kaum genutzt. Aus meiner Sicht hat das zwei Gründe. Insbesondere, wenn es ins Detail geht, sind die nachteiligen Nachhaltigkeitswirkungen zu weit weg vom Alltag aller Beteiligten. Nutzer können beispielsweise angeben, wie viele Tonnen CO2 je investierte Million Euro emittiert werden dürfen. Da muss man sich schon sehr mit der Materie beschäftigen, um eine adäquate Präferenz abgeben zu können. Ich halte diese Art der Fragestellung zumindest bei Privatanlegern für nicht sinnvoll. Zudem schwindet noch sehr schnell das Angebot, wenn bei den PAIs Angaben gemacht werden. Das kann sich bessern, wenn mehr nachhaltige Produkte auf den Markt kommen.

Einige Ihrer Produktpartner aus dem Bereich der Vermögensanlagen bieten derzeit aus rechtlichen Gründen nur Investitionsmöglichkeiten ab 200.000 Euro Mindesteinlage an. Inwieweit werden diese „Private Placements“ auch über Walnut vermittelt?

Gentz: Wir hatten bereits einige der Produkte für die Zeichnung ab 200.000 Euro gelistet. Aktuell ist etwa ein Angebot von TSO verfügbar. Mit Vermögensanlagen hingegen rechnen wir nicht mehr. Wir beobachten aber, dass die Anbieter seit einiger Zeit umschwenken und neben Private Placements auch mithilfe von Service-KVGs AIF auflegen. Zudem wird auch der ELTIF seit Jahresbeginn interessanter.

„2024 listen wir die ersten ELTIFs“

Wie schätzen Sie die Bedeutung der neuen Generation von ELTIFs, also European Long Term Investment Funds, für den Sachwertemarkt generell und für Walnut ein? Können Sie bereits ein entsprechendes Tool anbieten und wie ist das Interesse seitens der Produktanbieter?

Gentz: In den vergangenen Jahren hat sich die Auswahl an Sachwerthäusern, die Privatanlegerprodukte auflegen, kaum verändert. Mit der ELTIF-2.0-Novelle erweitert sich nun dieser Kreis. Denn einige Anbieter, die bislang eher institutionelle oder semi-professionelle Investoren bedient haben, stoßen jetzt in das Privatkundensegment vor. Damit geht meiner Meinung nach vor allem ein Relevanzschub für Sachwerte einher. Auf der anderen Seite gibt es auch für die altgewohnten Player neue Chancen. Sie haben den neuen Wettbewerbern häufig jahrelange Erfahrung mit der Betreuung und Verwaltung von Kleinanlegern voraus. Das hilft auch, wenn man über den Vertrieb in den Nachbarländern nachdenkt. Technologisch sind wir dafür mit Walnut Live vorbereitet. Wir können Beratungsstrecken mehrsprachig anlegen und sind auch sonst ELTIF-ready. Verschiedene Gespräche sind diesbezüglich auch schon fortgeschritten. 2024 listen wir die ersten ELTIFs.

„Nicht überall, wo KI draufsteht, ist auch KI drin“

Inwieweit spielt Künstliche Intelligenz, kurz KI, bei Walnut heute schon eine Rolle und welche Planungen haben Sie in dieser Richtung?

Gentz: Nicht überall, wo KI draufsteht, ist auch KI drin. In Walnut Live sind Funktionen wie die automatischen Plausibilitätschecks oder der Zielmarktabgleich für die Geeignetheitserklärung und ein mögliches Produktangebot enthalten, die wir marketingtechnisch als Künstliche Intelligenz bezeichnen könnten. Sie sind es aber nicht. Wir haben verschiedene echte KI-Ideen, die etwa das Thema Mehrsprachigkeit im Zusammenhang mit dem ELTIF oder das automatische Auslesen von Schriftverkehr betreffen. Allerdings fehlen hier an vielen Stellen noch die rechtlichen Rahmenbedingungen, beispielsweise was Datenschutz und Copyright bei der Nutzung von Sprachspuren angeht.

Welche Bedeutung hat KI nach Ihrer Einschätzung generell in der Finanzberatung? Ist Finanzberatung durch eine natürliche Person bald Geschichte?

Gentz: Ich bin überzeugt, dass der Großteil unserer Gesellschaft einen menschlichen Berater auch in Zukunft einer Künstlichen Intelligenz vorzieht. Viele Menschen benötigen beim Thema Finanzen eine Vertrauensperson, die motiviert, in die Diskussion geht, aufklärt und auch mit einer gewissen emotionalen Intelligenz für Ruhe sorgt, wenn es denn notwendig ist. Insofern haben wir, auch was die Konzeption unseres Walnut Live angeht, eine klare Haltung. Es geht nicht darum, die Berater zu ersetzen, sondern ihnen jede sinnvolle technologische Unterstützung zu bieten, die den Beratungsalltag vereinfacht, die Effizienz steigert und auch für die Kunden den Beratungsprozess bequemer macht. Künstliche Intelligenz kann da zukünftig sicher einen Teil beitragen.

Welche größeren Veränderungen Ihrer Plattform und/oder des Geschäftsmodells planen Sie darüber hinaus für die nähere Zukunft?

Gentz: 2024 werden wir eine ganze Reihe neuer Produkte von bestehenden wie auch neuen Partnern listen – darunter die ersten ELTIFs. Ansonsten entwickeln wir Walnut Live kontinuierlich weiter und arbeiten aktuell an verschiedenen zusätzlichen Funktionen. Ein Beispiel ist der Portfolioansatz. Damit können Berater für ihre Kunden eine Auswahl an Produkten verschiedener Anbieter zusammenstellen. Sie müssen dann nicht länger für jedes ausgewählte Produkt einzeln die Zeichnungsstrecke durchlaufen, sondern nur noch in einem kombinierten Prozess. Unser Ziel ist es, die Plattform für unsere Nutzer sukzessive wertvoller zu machen.

Die Fragen stellte Stefan Löwer, Cash.


Dieser Artikel stammt aus dem Special Digitalisierung in der Cash.-Ausgabe 4/2024

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