„Ein ‚Weiter so‘ wird es nicht geben“

Der Strukturwandel hin zur Industrie 4.0 wird in den nächsten Jahren auch die Immobilienwirtschaft erfassen. Die Entwicklung kann inbesondere für den Mittelstand wettbewerbsentscheidend sein, so Experten bei einer Tagung an der TU Darmstadt. Aber die Branche ist darauf nicht vorbereitet.

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Die Industrie 4.0 verändert den Bedarf an Produktionsflächen, noch ist die Immobilienwirtschaft darauf nicht eingestellt.

Die Digitalisierung der produzierenden Industrie wird nicht nur die Produkte und Prozesse, sondern insbesondere auch den Bedarf an immobilienwirtschaftlichen Produktionsflächen in den nächsten Jahren verändern.

Damit ist auch die Immobilienwirtschaft betroffen, vor allem der Mittelstand. Die Branche ist darauf nicht vorbereitet, so das Ergebnis einer Tagung an der TU Darmstadt mit Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft.

„Es kommt Bewegung in die Branche.Ein ‚Weiter so‘ im Immobilienmanagement produktionsnaher Flächen wird es nicht geben“, sagt Professor Andreas Pfnür, Leiter des Fachgebiets Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre der TU Darmstadt. Die Diskussionsergebnisse der Expertentagung fassten Pfnür und sein Mitarbeiter Julian Seger in einem Whitepaper zusammen.

Hidden Champions besonders betroffen

Die Umstellung verlange, dass sich das Immobilienmanagement produktionsnaher Flächen an den sich ändernden Bedarf anpasse. So würden während der Umstellungsphase eventuell zwei Werkhallen benötigt und die Nachfrage nach Produktionsflächen könnte sich hin zu Büroimmobilien verschieben.

Besonders betroffen seien die Hidden Champions, die heimlichen, oft mittelständischen Weltmarktführer der deutschen Industrie. Sie geraten zunehmend nicht nur unter Digitalisierungszwang, sondern auch unter internationalen Wettbewerbsdruck – mit Auswirkungen auf das betriebliche Immobilienmanagement.

Mangelnde Ressourcen

Bereits im vergangenen Jahr hatte eine Umfrage des Fachgebiets Immobilienwirtschaft der TU Darmstadt gezeigt, dass 88 Prozent der befragten immobilienwirtschaftlich einschlägigen Entscheider der Auffassung sind, dass die deutschen Unternehmen immobilienwirtschaftlich für den Strukturwandel nicht gut aufgestellt sind.

Besorgniserregend, so nun der Befund der jüngsten Expertenrunde, sind insbesondere die geringen eigenen immobilienwirtschaftlichen Ressourcen der Unternehmen. Es fehle in zwei Dritteln der produzierenden Unternehmen an Transparenz, Fachwissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Ressourcen, um die Nutzung der Immobilienbestände  den neuen Erfordernissen anpassen zu können.

Mangel an Investoren

Problematisch seien auch die im internationalen Vergleich hohen Eigentumsquoten deutscher Unternehmen. In Deutschland sein 86 Prozent der Produktionsflächen im Eigentum der produzierenden Unternehmen, in den USA dagegen nur 30 Prozent und in Asien gerade noch 20 Prozent.

Deutsche Unternehmen hätten die immobilienwirtschaftlichen Probleme weitgehend erkannt und die Lösung überwiegend im Verkauf ihrer Flächen suchen. Die zukünftig benötigten Flächen könnten dann etwa per „Real Estate as a Service“ zurückgemietet werden. Unternehmen es aus der IT oder Logistik würden solche Komplettlösungsangebote schon nutzen.

Produzenten drohen Wettbewerbsnachteile

Allerdings seien derzeit kaum immobilienwirtschaftliche Dienstleister in der Lage, solche Lösungen bereitzustellen, und es fehle an Investoren, die im Falle von Projektentwicklungen die Rolle des Vermieters übernehmen können.

„Trotz des Marktvolumens von 600 Milliarden Euro seien produktionsnahe Immobilien immer noch in der Rolle der Exoten“, so Pfnür. Den produzierenden Unternehmen in Deutschland würden aufgrund des Engpasses bei flexibel an den Strukturwandel anpassbaren Flächen ernste internationale Wettbewerbsnachteile drohen.

„Es ist dringend an der Zeit, dass dieses Thema auf die Agenda von Politik und Top-Management deutscher Unternehmen gelangt, um die nötige immobiliare Infrastruktur für den Strukturwandel zu schaffen“, sagt Pfnür. (kl)

Foto: Shutterstock

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