KfW: Deutscher Mittelstand trotzt den Krisen

Konferenztisch mit leeren Stühlen
Foto: Bildagentur PantherMedia / hanayama
KfW hat Unternehmen bis 500 Millionen Euro Jahresumsatz befragt (Symbolbild).

Nach dem neuesten "Mittelstandspanel" der KfW Bank stieg der Umsatz im deutschen Mittelstand im Jahr 2022 um 16 Prozent, Investitionen legten um 15 Prozent zu. Die Eigenkapitalstruktur zeigt sich robust, aber die Rentabilität sinkt und 2023 sorgt konjunktureller Gegenwind für erhöhte Anspannung.

Auch in Krisenzeiten zeigt sich der deutsche Mittelstand in seiner Gesamtheit robust, berichtet die KfW. Sowohl Umsätze als auch Investitionen der 3,8 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen hierzulande legten der repräsentativen Befragung von KfW Research zufolge im zurückliegenden Jahr 2022 zu, in moderatem Umfang auch die Beschäftigung.

Die durchschnittliche Eigenkapitalausstattung der Unternehmen bleibt stabil und ihre Schuldentragfähigkeit ist weiter gegeben. Die Umsatzrendite im Mittelstand fiel zuletzt allerdings auf den niedrigsten Stand seit 2015. Vor allem die kleinen Unternehmen blieben offenbar häufig auf den gestiegenen Kosten sitzen.

„Seit dem Jahr 2020 wird die Resilienz des deutschen Mittelstands durch sich überlappende Krisen auf eine harte Probe gestellt. Doch auch 2022 sind allen Belastungsfaktoren wie Krieg in der Ukraine, Energiekrise und steigenden Preisen zum Trotz die Blessuren bei den kleinen und mittleren Unternehmen überschaubar geblieben“, sagt die Chefvolkswirtin der KfW, Dr. Fritzi Köhler-Geib. „Im laufenden Jahr sorgt der konjunkturelle Gegenwind jedoch für erhöhte Anspannung. Die Unternehmen blicken aktuell eher mit Skepsis auf ihre Geschäftsaussichten. Und obwohl der Kreditkanal weiter funktioniert, nehmen die Schwierigkeiten bei Kreditverhandlungen zu.“

Umsätze um 742 Milliarden Euro gestiegen

2022 sind die Umsätze der mittelständischen Unternehmen nominal um gut 16 Prozent (plus 742 Milliarden Euro) auf 5.322 Milliarden Euro gestiegen. Das Umsatzwachstum war dabei mehr als nur inflationsgetrieben – auch real steht ein gutes Umsatzplus von zehn Prozent zu Buche.

Bei einer Reihe von Unternehmen überstiegen die Kostenerhöhungen für Material, Löhne und Energie das erzielte Umsatzplus dennoch. Die Umsatzrendite sank von 7,4 auf 7,0 Prozent. Insbesondere die Profitabilität der Kleinstunternehmen mit weniger als fünf Beschäftigten ging deutlich zurück (von 13,8 auf 11,8 Prozent).

Diese Unternehmen weisen in der Folge aktuell auch deutlich häufiger Liquiditätsprobleme auf. Die gesunkenen Renditen erschweren es, ihre bereits in der Corona-Krise strapazierten Liquiditätsreserven wieder aufzupolstern. In der Breite des Mittelstands ist die Liquiditätslage allerdings komfortabel: Im Frühjahr 2023 gaben fast sechs von zehn Mittelständlern an, dass ihre Liquiditätssituation sehr gut oder gut sei. Weitere 30 Prozent bewerteten sie als immerhin ausreichend.

Schub für Investitionstätigkeit

Befürchtungen einer krisenbedingten Anpassung von Investitionen im Mittelstand blieben der KfW zufolge unbegründet: Corona-Nachholeffekte im ersten Halbjahr 2022, Vorzieheffekte aufgrund der sich eintrübenden Finanzierungsbedingungen und steigenden Investitionsgüterpreisen sowie auch Anpassungsmaßnahmen, um den Anstieg der Energiekosten abzufedern, haben der Investitionstätigkeit der Mittelständler einen Schub verliehen.

Die Neuinvestitionen des Mittelstands nahmen um 15 Prozent nominal auf 211 Milliarden Euro zu. Aber auch nach Berücksichtigung des gestiegenen Preisniveaus steht trotz der Herausforderungen im vergangenen Jahr immer noch ein Plus von rund vier Prozent zu Buche (auf 190 Milliarden Euro). Mehr noch: Kleine und mittlere Unternehmen haben die Investitionstätigkeit prozentual stärker ausgeweitet als der gesamte Unternehmenssektor in Deutschland (zehn Prozent nominal).

Neben dem Investitionsvolumen ist auch die Zahl der Investoren gestiegen: 43 Prozent beziehungsweise 1,63 Millionen kleine und mittlere Unternehmen haben Investitionen vorgenommen (plus fünf Prozentpunkte oder plus 183.000 Unternehmen). Dabei besteht der KfW zufolge ein klarer Zusammenhang zwischen der Größe der Unternehmen und der Investitionstätigkeit: Fast neun von zehn großen Mittelständlern mit mehr als 50 Beschäftigten investierten im vergangenen Jahr, im Durchschnitt mehr als eine Million Euro. Bei Kleinstunternehmen mit weniger als fünf Beschäftigten war nur etwas mehr als jedes dritte Unternehmen investiv aktiv, im Durchschnitt mit knapp 60.000 Euro.

Fast ein Drittel geht für 2023 von Umsatzrückgang aus

„Trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds hat der Mittelstand seine Investitionstätigkeit im vergangenen Jahr merklich ausgeweitet und sich als Stütze des gesamten Wirtschaftsgeschehens gezeigt. Mehr als vier von zehn investierten Euro kamen im Jahr 2022 von einem kleinen oder mittleren Unternehmen“, resümiert Köhler-Geib. „Auch die Investitionstätigkeit im mittelständischen Verarbeitenden Gewerbe entwickelte sich besser als von vielen erwartet.“

Auf das laufende Jahr blickt der Mittelstand aber mit Skepsis; die Firmen spüren den konjunkturellen Gegenwind deutlich: Die Stimmung hat sich seit Jahresbeginn verschlechtert. Die schwachen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsaussichten spiegeln sich auch in den Erwartungen zur diesjährigen Umsatzentwicklung wider: Fast ein Drittel der kleinen und mittleren Unternehmen geht für 2023 von einem Umsatzrückgang aus, im Durchschnitt von 24 Prozent.

Auch bei der mittelständischen Investitionstätigkeit zeichnet sich eine Eintrübung ab: 37 Prozent aller der befragten Unternehmen gaben im Herbst dieses Jahres an, die zu Jahresbeginn angedachten Investitionen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben oder in geringerem Umfang umgesetzt zu haben. 13 Prozent haben ihre Investitionspläne aufgegeben. Insgesamt hat also die Hälfte der Unternehmen geplante Investitionen nicht oder nicht vollständig umgesetzt.

Im Jahr 2022 erneut Arbeitsplätze geschaffen

Der Mittelstand hat 2022 erneut Arbeitsplätze geschaffen, der Zuwachs von 20.000 Beschäftigten fiel allerdings moderat aus. Der Löwenanteil des gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungszuwachses entfiel auf Großunternehmen und öffentliche Arbeitgeber. Im laufenden Jahr könnte sich ein ähnliches Muster zeigen: 2023 ist gesamtwirtschaftlich mit einem Erwerbstätigenplus zu rechnen, wobei sich für den Mittelstand gegenwärtig eher sinkende Beschäftigungserwartungen abzeichnen.

Die Kapitalstruktur der kleinen und mittleren Unternehmen zeigt sich robust. Die durchschnittliche Eigenkapitalquote sinkt nur um 0,2 Prozentpunkte auf 31,2 Prozent. Für den Mittelstand insgesamt sind erneut strukturelle Verbesserungen bei der Kapitalstruktur ersichtlich – der Anteil der Mittelständler mit vergleichsweise hoher Eigenkapitalquote von mindestens 30 Prozent steigt um fast einen Prozentpunkt auf knapp 51 Prozent. Der Anteil von Unternehmen mit einer niedrigen Eigenkapitalquote von unter zehn Prozent ist gleichzeitig deutlich auf 25 Prozent zurückgegangen.

Im Jahr der Zinswende erlebte die Kreditfinanzierung im Mittelstand noch ein Boomjahr. Um ihre Investitionen (teilweise) zu finanzieren, haben 763.000 Unternehmen Bankkredite genutzt – so viele wie seit fast fünfzehn Jahren nicht mehr. Dabei profitierten die Unternehmen noch weitgehend von einem guten Kreditzugang: Die Kreditablehnungsquote sank 2022 auf ihr Allzeittief von neun Prozent.

Zugang zur Kreditfinanzierung merklich schwieriger

Für das Jahr 2023 ist allerdings eine Trendwende absehbar. Obgleich der Kreditkanal weiterhin funktionsfähig sei, ist der Zugang zur Kreditfinanzierung merklich schwieriger geworden, vor allem das hohe Zinsniveau macht den mittelständischen Unternehmen zu schaffen. Trotz hoher Fremdkapitalaufnahme 2022 ist die Schuldentragfähigkeit im Mittelstand aber noch immer gegeben. Der Anteil von Unternehmen mit einer kritischen Schuldentragfähigkeit („Zombieunternehmen“) lag im Jahr 2022 bei sehr niedrigen drei Prozent.

Das KfW-Mittelstandspanel wird von KfW Research seit dem Jahr 2003 durchgeführt und liefert den Angaben zufolge eine repräsentative Datenbasis der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland. Es umfasst den gesamten deutschen Mittelstand – vom Soloselbständigen bis hin zu großen Mittelständlern. Zur Grundgesamtheit des KfW-Mittelstandspanels gehören alle privaten Unternehmen sämtlicher Wirtschaftszweige, deren Umsatz die Grenze von 500 Millionen Euro pro Jahr nicht übersteigt. An der jüngsten Erhebung haben sich 11.328 mittelständische Unternehmen beteiligt. Der Befragungszeitraum der Hauptbefragung lief vom 6. Juni 2023 bis zum 16. Juni 2023. Eine zusätzliche – ebenfalls repräsentative – Sonderbefragung zur aktuellen Geschäftslage wurde Anfang September 2023 durchgeführt (mit 2.718 Antworten).

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