Telematik: Der Weg zur risikogerechten Kfz-Prämie?

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Telematik ist eines der großen Schlagworte der Versicherungsbranche. Dank der neuen Technologien sollen sich Prämien künftig passgenauer und fairer auf die Versicherten zuschneiden lassen.

„Die Integration telematischer Merkmale kann dafür sorgen, dass Kfz-Prämien noch risikoadäquater und individueller kalkuliert werden können“, erklärt Detlef Frank, Vorstandsmitglied der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) und Vorsitzender des Ausschusses Schadenversicherung. Hochtechnologien bei Sensoren und Mobilfunk sowie Cloud- und Big-Data-Einsatz bieten neue Chancen, einen auf Telematikdaten gestützten Tarif zu konzipieren.

Pro Fahrt werden mithilfe der Kfz-Telematik Zeit und Fahrzeugposition sowie Geschwindigkeit- und Beschleunigungs-, Kurven- oder Bremsverhalten erfasst. Versicherungsnehmende erhielten so einen unmittelbaren Eindruck von ihrem Fahrstil und könnten mittels dieses Feedbacks Einfluss auf das individuelle Risiko und damit auf die Versicherungsprämie nehmen.

„Durch das eigene Verhalten können die Kundinnen und Kunden also zu einem günstigeren Preis gelangen, der vielfach auch besser ihre subjektive Risikoeinschätzung als das bisherige Tarifgerüst widerspiegelt“, so Frank. Denn Auswertungen der Versicherungen zeigten, dass sich vor allem Fahrende mit einer tendenziell geringeren Unfallquote und damit einem niedrigeren Schadenbedarf für Telematiktarife entschieden. Das wird als allgemeine Selektionseffekte bezeichnet.

Gesamtkollektiv kann profitieren

„Die aus der Risikoverhaltensänderung resultierende sinkende Schadenlast könnte potenziell sogar auf das Gesamtkollektiv in Form sinkender Prämien ausstrahlen, wenn es sich dabei um einen nachhaltigen Trend handeln sollte“, führt Frank aus. Inwieweit ein solcher Effekt tatsächlich eintritt, kann nach DAV-Analysen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschließend bewertet werden.

Ersten Untersuchungen zufolge weisen Fahrende mit einem schlechten Score eine drei- bis zehnmal höhere Unfallwahrscheinlichkeit als Fahrende mit gutem Score  auf, wobei die 20 bis 30 Prozent der Fahrenden mit der höchsten Unfallwahrscheinlichkeit in 30 bis 40 Prozent der Unfälle verwickelt sind.

„Mit der Kfz-Telematik eröffnen sich nicht nur für die Versicherungsnehmenden, sondern auch für die Aktuarwissenschaften völlig neue Perspektiven für die Beschreibung des relevanten Risikoverhaltens“, so Frank. An die Stelle von statischen Tarifmerkmalen treten Zeitreihen von Sensordaten, zudem ist jede Fahrt von individueller Länge und semantischer Struktur.

„Diese Daten können noch lückenhaft, unvollständig und fehlerhaft sein“, beschreibt Frank die Herausforderung. Ferner sei die gesellschaftliche Akzeptanz der Kfz-Telematik noch nicht umfassend, da diese teilweise als Blackbox angesehen werde. Hierbei sieht er auch die Aktuarinnen und Aktuare in der Verantwortung, einen Zusammenhang zwischen statistisch bedeutsamen Merkmalen und kontextbezogener Schadensemantik transparent darzustellen, um die automatisierten Bewertungen der Kfz-Telematik nachvollziehbar zu machen.

Datenschutz sicherstellen

Mit Blick auf den vielfach diskutierten Datenschutz bei der Kfz-Telematik verweist Frank darauf, dass dieser etablierten Standards wie dem Code of Conduct des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) oder der europäischen Datenschutz-Grundordnung (DSGVO) folgt. „Die Versicherungswirtschaft ist seit jeher damit vertraut, mit personenbezogenen Daten umzugehen“, unterstreicht Frank.

Insgesamt sieht DAV-Vorstand Frank in der Kfz-Telematik eine große Chance für einen Digitalisierungsschub in der Versicherungstechnik. Zudem könnten durch eine risikogerechte Differenzierung und Kundenbindung über Sparten hinweg weitere Risiken versicherbar gemacht werden. „Die Kfz-Telematik ist zweifellos ein Ansatz für künftige Versicherungsprodukte, wobei die aufgezeigten Herausforderungen lösbar sein dürften“, prognostiziert Frank abschließend.

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