Wie Chat-GPT Beratern nützen kann

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Zu benutzen ist die intelligente Software derzeit in Deutschland nur als Testversion.

Der mediale Hype um die Software Chat-GPT ist enorm. Doch ihre Anwendung birgt auch Gefahren. Gastbeitrag von Michael Sudahl

Manche Antworten sind witzig: Auf die Frage, was mehr wiegt, ein Kilo Nudeln oder ein Kilo Stahl, soll Chat-GPT geantwortet haben: „Ein Kilo Stahl wiegt mehr als ein Kilo Nudeln.“ Auf Fangfragen scheint die Künstliche Intelligenz (KI) aus den USA nicht vorbereitet zu sein. Trotzdem ist der mediale Hype um die schlaue Software enorm. Gespeist mit dem Internetwissen bis Anfang 2022 beantwortet Chat-GPT Fragen der Nutzer. Und zwar mit einer hohen Treffsicherheit – mit Ausnahmen wie oben. 

Doch nicht nur antworten kann das Programm. Es schreibt auch. Lautet die Eingabe etwa: „Bitte ein Dankesschreiben an meinen Kunden XY anfertigen!“, blinkt etwas später ein gewinnender Brieftext auf dem Bildschirm – den vermutlich 90 Prozent der Anwender nicht besser hätten tippen können. Grammatik und Satzbau passen, sogar die Kommata sind richtig gesetzt. Beeindruckend. 

Unlängst hat der grünen Politiker Alexander Salomon im baden-württembergischen Landtag seine erste Rede gehalten, die von Chat-GPT geschrieben wurde. Wäre das nicht auch für jeden Berater eine Erleichterung: die Weihnachtsrede vom Automaten gestrickt? „Ja, sicher“, meint Thomas Gebhardt, Digitalexperte der HWK-Stuttgart. Auch die Begrüßungsrede für neue Kollegen könnte Chat-GPT ersinnen. Und die Angebotstexte für das Verkaufsprospekt – auch die kann das Programm liefern, wenn es ein paar Stichworte bekommt. Und passt eine Version nicht, kann man die KI zum Nachbessern auffordern. Auch Kündigungsschreiben oder Social-Media-Posts generiert die Künstliche Intelligenz. Diese übersetzt die Software zudem in Fremdsprachen: Ein Aushang zum Arbeitsschutz am Schwarzen Brett in Deutsch, Französisch und Englisch – mit dem Chat-Programm kein Problem. 

Felix Pflüger von Telefonieprovider Peoplefone Deutschland findet Internetrecherchen, die der Algorithmus übernimmt, ebenso spannend. Der Deutschlandchef des Telefonieprovider betreut mehrere tausend mittelständische Betriebe, darunter etliche Finanzfirmen. „Wie viel Bafög bekommen Azubis und zu welchen Bedingungen?“, könnte eine Frage lauten. Und die KI formuliert binnen Sekunden eine verständliche Antwort. Mühselige Recherchen wären passé. Oder: „Was bedeutet Nullsteuersatz bei Photovoltaikanlagen“. Zack, bekommt der Handwerker einen lesbaren Einblick ins Steuerrecht. Das spart Zeit und ist zudem einfacher, als Schreiben des Bundesfinanzministeriums eigenhändig zu studieren. Oder eine Google-Trefferliste durchzuscrollen, die auf den ersten zehn Positionen Anzeigen präsentiert. 

Zehn Milliarden Euro in den Erfinder investiert

Und wer Chat-PGT nach Energiespartipps fürs Büro fragt, dem listet die KI auf, was zu tun ist: Wände dämmen, LED-Leuchten einsetzen, usw. Wichtig zu wissen: Je spezifischer die Anfrage, desto besser die KI-Antwort. „Interessant ist, dass Chat-GPT nicht nur die passende Stelle nennt, sondern Wissen in lesbare Zusammenfassungen verwandelt“, findet Pflüger, „beziehungsweise in der Lage ist, zum Wissen gleich passende Fragen zu erstellen“. Ideal um Einstellungs- oder Zertifizierungstests zu entwickeln.

Dass Microsoft zehn Milliarden Euro in den Erfinder, das Start-up OpenAI, investiert, lässt Tec-Riesen Amazon und Google aufhorchen. Die Suchmaschine etwa stellte Anfang Februar einen eigenen KI-Chatbot vor: „Bard“ steht jedoch nur einem kleinen Kreis zum Testen zur Verfügung, soll jedoch in Bälde öffentlich zugänglich werden, wie Google-Chef Sundar Pichai mitteilt. Mancher IT-Experte spricht schon von einem ähnlichen Erfolg wie bei der Erfindung des Smartphones oder gar des Internets. 

Pflüger sieht durch den Einsatz der Software vor allem Hilfe, um administrative Aufgaben zu erledigen. „Wer weniger Recherchieren will und sich ungern mit Schriftverkehr beschäftigt, für den ist die KI sicher eine Erleichterung“, so der Peoplefone-Chef. 

Zu benutzen ist die intelligente Software derzeit in Deutschland nur als Testversion. In den USA soll es bald ein Abo-Modell geben, für um die 20 Euro pro Monat. Was die KI wohl auch im Bezahlversion nicht kann, ist Denken. „Jede Antwort ist auf Fakten und Plausibilität zu prüfen“, rät Pflüger. Denn auch wenn Chat-GPT ein enormes Wissen hat und dieses binnen Sekunden analysiert, und das Extrakt textet, so hat sie keine Qualitätskontrolle – wie die Nudel-Stahl-Antwort zeigt. Noch nicht.

„Die Songs sind Mist“

Auch für das Schreiben von Homepages könnte die KI dienen, allerdings besteht die Gefahr, dass bald alle Texte auf Webseiten ähnlich klingen. „Die Variationen erschöpfen sich, weil die KI nur reproduzieren kann“, sagt Pflüger. Eine kreative Kraft kann kein noch so innovatives Start-up programmieren. Das stellt fest, wer Songtexte oder Gedichte von ihr entwerfen lässt. Das holpert doch arg. Oder um es mit den Worten des Musikers Nick Cave zu sagen: „Die Songs sind Mist.“ Dem Australier wurden Lieder präsentiert, welche die KI im Cave-Stil geschrieben hat.

Bei der HWK sieht Gebhardt noch eine weitere Gefahr: Schüler lassen sich Aufsätze und Interpretationen von Chat-GTP schreiben. „Das würde auch bei Azubiberichten gehen“, so der Digital- und Technologieberater. Grundsätzlich sei es richtig, dass sich das Unternehmen mit der Künstlichen Intelligenz beschäftige, jedoch sollten nicht das Wissen in den Betrieben vergessen werden. 

Gebhardt sieht die Software stattdessen als Sparringspartner und damit als Lernhilfe. So könnten angehende Berater Antworten der vermeintlichen Supersoftware diskutieren. Etwa ob die angebotene Lösung stimme – und wenn nein, warum nicht.

Autor Michael Sudahl ist freier Journalist und Coach.

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