EZB und Fed: Zinsen bleiben wohl länger hoch


Konjunkturell sieht es für Europa und Deutschland etwas besser aus als noch Ende 2022: Aufgrund des bisher sehr warmen Winters hat sich die Situation an den Gas- und Strommärkten entspannt. Die Auftragslage für die europäische Industrie sollte sich etwas bessern, denn die Lagerbestände sind bei vielen Kunden ausgesprochen tief.

2023 dürfte auch das Wirtschaftswachstum in der Eurozone über dem Wachstum in den USA liegen, was ein kurzfristiger Vorteil für Europa ist. Mittel- bis längerfristig sollten die USA aber stärker wachsen als Europa, denn Europa hat unverändert ein strukturelles Wachstumsproblem, das nach 2023 wieder zum Tragen kommen dürfte. Es wird wohl auch 2023/24 nicht viel unternommen, um das Wachstum in Europa zu beschleunigen.

Aus fundamentaler Sicht (Gewinnentwicklung) sollten europäische Unternehmen, die in der Regel günstiger als ihre US-Peers sind, 2023 einen kurzfristigen Vorteil haben. Mit Blick auf 2024 erscheinen uns viele aktuelle Wachstumsprognosen zu optimistisch: In den aktuellen Prognosen sind die Verzögerungen aus der restriktiven Geldpolitik (ein Zinsschritt wirkt sich in der Regel erst mit einer Verzögerung von bis zu einem halben Jahr aus) noch nicht eingepreist. Aufgrund dieser Timelags könnte das globale Wachstum 2024 generell schlechter ausfallen als 2023.

Das Interesse asiatischer Investoren, mehr in Europa zu investieren, nimmt zu und stützt damit auch den Euro. Der Staatsfonds von Singapur, Temasek, sucht beispielsweise gezielt nach Investitionen in Unternehmen, die von den Bemühungen Europas profitieren, energieunabhängiger zu werden. Singapur bleibt auch in Bezug auf die erwartete wirtschaftliche Entwicklung eine aussichtreiche Region in Asien. Die schnelle Öffnung Chinas ist positiv für das chinesische sowie für das asiatische Wachstum zu bewerten, wirkt aber auch inflationär.

Mittel- bis längerfristig bleibt es für Unternehmen in Deutschland und Europa aber weiter schwierig. Vor allem Mittelständler dürften es schwer haben. Große, multinationale Unternehmen werden ihre Ressourcenallokation vermutlich noch stärker lokalisieren, das heißt vermehrt direkt in den wichtigsten Absatzregionen (USA/Asien) investieren. Bei Meetings/Konferenzen zeigen sich Unternehmen mit hohem US-Geschäft zuversichtlich (beziehungsweise sind froh, viel US-Geschäft zu haben), da die Auftragseingänge in den USA strukturell besser sind.

Im Vergleich zu anderen Zyklen könnte der Arbeitsmarkt in den USA länger angespannt bleiben als erwartet. Der Arbeitsmarkt in den USA (in Europa ähnliche Situation) könnte in diesem Zyklus der große Unterschied sein: Trotz der massiven Bremspolitik der Fed steigt die Arbeitslosenquote voraussichtlich nur gering an, da es in sehr vielen Sektoren ein strukturelles Arbeitskräftedefizit gibt. Viele Arbeitnehmer haben sich ferner zu sehr an Home-Office gewöhnt und stehen nur noch eingeschränkt zur Verfügung, in die Firma zu kommen (man spricht auch von einer Arbeitslosenquote adjustiert um „Working from home“ (WFH) von nur um die zwei Prozent in den USA). Die Preis-/Lohnverhandlungsmacht von entsprechend qualifizierten Arbeitnehmern ist hoch.

Seite 5: Monetär

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