Rente vom Chef – das Dossier zur bAV

Der Markt für betriebliche Altersvorsorge (bAV) ist unzähligen Einflüssen ausgesetzt: Niedrigzinsumfeld, rechtliche Neuerungen und politische Planspiele müssen in den Strategien von Produktgebern und Beratern Berücksichtigung finden. Auf dem „bAV-Expertenforum“ der HDI Versicherung in Köln wurde die aktuelle Marktsituation diskutiert.

ifa-Wissenschaftlerin Sandra Blome (erste Reihe, zweite v.r.) und Steuerberaterin Anne Killat (rechts daneben) referierten zu aktuellen Themen in der bAV.

Die Fußball-WM in Brasilien wirft ihre Schatten voraus und dieser Schatten hat zumindest schonmal den Rhein erreicht. „Bezogen auf ein Fußballfeld befinden wir uns bei der bAV noch im Fünfmeterraum“, sagte Fabian von Löbbecke, Gastgeber des bAV-Expertenforums, das am vergangenen Donnerstag in der Kölner Marienburg stattfand.

Mangelhafte Chanchenverwertung in der bAV

In seinem Eröffnungsvortrag ließ der Vorstandsvorsitzende der Talanx Pensionsmanagement einen Video-Clip einspielen, in dem eine Fußballmannschaft ihre zahlreichen Großchancen binnen Sekunden an Pfosten, Latte oder sonstwohin setzte – nur eben nicht ins gegnerische Tor. Für von Löbbecke, der auch das bAV-Geschäft der HDI verantwortet, ein symptomatisches Bild: Die Chancen einer Betriebsrente bleiben aus seiner Sicht noch zu selten ungenutzt (siehe Interview vom 16. Mai 2014).

Bislang verfügt rund die Hälfte der Arbeitnehmer über eine Anwartschaft zur Betriebsrente, doch die durchschnittliche Höhe der Ansprüche lässt stark zu wünschen übrig. Im Rahmen der Entgeltumwandlung werden laut von Löbbecke im Durchschnitt nur 546 Euro im Jahr aufgewendet.

Gesetzlicher Spielraum kaum ausgenutzt

Dabei könnten sozialversicherte Arbeitnehmer von ihrem Gehalt bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG, West) steuer- und abgabenfrei in eine bAV umwandeln lassen. Seit diesem Jahr beträgt die BBG 5.950 Euro im Monat beziehungsweise 71.400 Euro im Jahr. Somit können also 2.856 Euro im Jahr beziehungsweise 238 Euro im Monat steuer- und sozialversicherungsfrei in eine Betriebsrente eingezahlt werden. Hinzu kommen 1.800 Euro im Jahr, die steuerfrei sind, nicht aber sozialversiche­rungsfrei.

So gesehen wird also nur rund ein Fünftel des gesetzlichen Rahmens ausgeschöpft. Hier möchte von Löbbecke ansetzen: „Das Potenzial für die bAV ist riesig. Lassen Sie sich nicht davon abschrecken, dass bereits 50 Prozent der Arbeitnehmer eine bAV haben – es geht um das Wieviel“, ruft der bAV-Experte den anwesenden Maklern zu.

Entgeltumwandlung „unschlagbar“

Von Löbbecke bedauert die geringe Höhe der durschnittlichen Anwartschaften, denn er hält die Entgeltumwandlung für „unschlagbar“. Er beziffert den durchschnittlichen bAV-Vorteil gegenüber einer privaten Vorsorge auf 29 Prozent. Demnach liege die Nettorente über alle Gehaltsklassen ab 20.000 Euro hinweg deutlich über dem Vergleichswert einer privaten Rentenversicherung (innerhalb der gleichen Produktlinie).

Die Tatsache, dass die Leistungen einer Betriebsrente zu versteuern sind und obendrein die vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu entrichten sind, seien bei der Modellrechnung bereits berücksichtigt, erklärt von Löbbecke. Der Diplom-Mathematiker beruft sich dazu auf Berechnungen des bAV-Experten Dr. Thomas Schanz.

Von Löbbecke verschweigt nicht, dass der Bamberger Altersvorsorge-Forscher und bAV-Kritiker Professor Ulrich-Arthur Birk die Berechnungslogik von Schanz in Frage gestellt hat. Dies liege am gewählten Steuersatz im Alter, der für den Talanx-Manager die „Gretchenfrage“ darstellt. Während Schanz den Rentenbeginn bei 65 ansetzt, weil die meisten Verträge auf dieses Alter ausgerichtet seien, nimmt Birk das gesetzliche Renteneintrittsalter zur Grundlage.

„Kosten viel zu hoch“

Auf etwas Mathematik wollte auch Dr. Sandra Blome vom Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaft (ifa) nicht verzichten. Infolge der zu erwartenden Rechnungszinssenkung in der Lebensversicherung zum 1. Januar 2015 von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent erwartet die Aktuarin, dass fondsgebundene Garantieprodukte auch in der bAV an Bedeutung gewinnen werden.

Ein reduzierter Rechnungszins mache der Branche aber auch deutlich, so Blome weiter, dass die Kosten in der Lebensversicherung „viel zu hoch“ seien – eine Botschaft, die den zahlreich vertretenen Maklern nicht gefallen haben dürfte.

Zugleich betonte die Wissenschaftlerin, dass die Klassik keinesfalls „tot“ sei. Sie werde allerdings ihr Aussehen verändern. Künftig gehe es vor allem darum, dass sich die Versicherer auf Garantien beschränkten, die der Kunde wirklich brauche, betonte die ifa-Expertin. Sie verwies dazu auf sogenannte endfällige Garantien sowie Abschnittsgarantien. Einige Versicherer wie Allianz, Ergo oder Axa hätten entsprechende Produkte bereits auf den Markt gebracht. (lk)

Die neuesten Entwicklungen und Informationen rund um das Thema betriebliche Altersversorgung finden Sie hier:

12. Mai 2014: Altersvorsorge: „Sorgen führen nicht zu Taten“

12. Mai 2014: „Die Politik sollte klare Verhältnisse schaffen“

29. April 2014: Altersvorsorge: Aktuare fordern mehr Kapitaldeckung

17. April 2014: WWK erweitert bAV-Produktpalette

26. März 2014: bAV: Bundesarbeitsgericht erschwert Altersgrenzen

26. März 2014: Dax-Unternehmen: Geringere Pensionslast

26. März 2014: bAV: Makler gewinnen an Bedeutung

18. März 2014: Neuer bAV-Chef für Zurich Deutschland

3. März 2014: Maklerpools nutzen bAV-Formulare

13. Februar 2014: bAV: Unternehmen sehen großen Anpassungsbedarf

11. Februar 2014: Stuttgarter will in der bAV wachsen

6. Februar 2014: Eine Betriebs-BU lohnt sich – im Einzelfall

6. Februar 2014: Studie: Jeder Dritte erwägt bAV-Abschluss

5. Februar 2014: Ist eine BU-Absicherung über die Betriebsrente sinnvoll?

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