D-Day im Juni

Die Halver-Kolumne: Kürzlich eurogipfelte die Selbsthilfegruppe der Staats- und Regierungschefs das gefühlt 117. Mal zum Thema Euro-Krise. Konkrete Ergebnisse, geschweige denn klare Entscheidungen: Fehlanzeige.

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Gipfelessen statt Gipfeltreffen. Das einzig Klare war der Menüplan aus Spargel, Petersfisch und Mousse au Chocolat. Aber warum hat man sich dann überhaupt zu diesem Promi-Dinner getroffen? Natürlich aus wahltaktischen Gründen. Im Vorfeld der französischen Parlamentswahl im Juni wollte Monsieur Hollande der spareisernen Frau Merkel die Show stehlen. So trafen im links- und rechtsrheinischen Zweikampf Konjunkturprogramm- und Sparapostel direkt aufeinander. Zur perfekten Dramaturgie passte auch das Ausbleiben des bislang obligatorischen Küsschens zwischen Bundeskanzlerin und Staatspräsident. Liebe Franzosen, seht her, euer wachstumsvisionärer Präsident kämpft gegen die spardiktierende Deutsche. Im Gegenzug hat Mutter Courage Merkel den Eurobonds das glitzernde Bonbon-Papier abgenommen. Sie weiß, dass Eurobonds im Mutterland der Stabilität – Deutschland – unbeliebt und so als solides Wahlkampfthema 2013 bestens geeignet sind.

Und sind wir jetzt weiter in der Lösung der Euro-Krise? Nein, außer diesem locker leicht geschlagenen Scharmützelchen ruht still der Euro-See. Mit diesem Schaustreit eröffnete man einen bewussten Nebenkriegsschauplatz, der aufgrund seiner Zeitverschwendung verhinderte, beim griechischen Patienten sowie bei der finanz- und wirtschaftspolitischen Neuausrichtung der Eurozone Farbe bekennen zu müssen. Und das wollte man vor den griechischen und französischen Parlamentswahlen Mitte Juni ja auch gar nicht. Diese Unklarheit ist sicherlich nicht der Stoff, aus dem die Träume für die europäischen Aktien- und Rentenmärkte gemacht sind. Jedoch haben wir so viel Elend durchgestanden, da müssen wir eben auch noch durch. Aber dann nach den Wahlen beim nächsten EU-Gipfel Ende Juni ist endgültig Schluss mit lustig. Wir haben keine Zeit mehr. Es geht um die Wurst, um Euroland.

Frau Merkel als wahre Mutter Courage der Eurozone

Grundsätzlich stehen dann die Zeichen für konkrete Ergebnisse gut. Nach der Wahl kann Herr Hollande den strikten sozialistischen Stallgeruch an der Garderobe abgeben und sich zugänglicher, pragmatischer und kompromissbereiter zeigen. Dann kann auch Frau Merkel ihr Herz öffnen. So könnte er am Ende des Gipfels gesichtswahrend nach Hause fahren und mit selbstbewusster Brust bekunden, Frau Merkel Kompromisse zur Wirtschaftsförderung abgerungen zu haben. Und Frau Merkel kann sich eurodiplomatisch im besten Bismarckschen Sinne zeigen, indem sie unter strikter Beibehaltung des Fiskalpakts dennoch Wachstumsimpulsen nicht mehr nur die kalte Schulter zeigt. Zusätzlich könnte die Bundesregierung die ultimative Rettung der Eurozone durch die EZB stillschweigend akzeptieren, die ohnehin angesichts der Schärfe der Krise – so sehr es meine Stabilitätsseele auch belastet – nicht mehr zu verhindern ist. Auch wachstumsvisionär würde die Bundeskanzlerin damit zur unumstrittenen First Lady Eurolands, zur Kraft-vollen Hannelore Merkel.

Der deutsch-französische Motor der Marke Merkollande liefe wieder runder und zöge die EU-Quertreiber mit. Nicht zuletzt ermöglichte die wieder gefundene Zugkraft auch den kontrollierten Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Schließlich als Happy End – und vor den Augen aller Kameras dieser Welt – verabschiedet man sich wieder mit Küsschen. Ich würde mir an diesem Gipfelabend mit Genuss ein deutsches Bier und einen französischen Rotwein zu Gemüte führen.

Ich habe keine Lust mehr auf Euro-Stress

Bin ich naiv? Nun, die Alternative eines Gipfelscheiterns wäre die fatale Reinkarnation der politischen Euro-Krise, die dann nicht nur als Sturm im Wasserglas stattfindet, sondern die Realwirtschaft frontal angreift, eine Vermögensdeflation verursachen und auch vor umfänglichen Bank Runs nicht Halt macht. Die Politik hat geschworen, Schaden vom Land abzuwenden, nicht, diesen Schaden zu verursachen. Die Wirtschaft sollte von der Politik wie von der Muse geküsst und nicht mit der Muffe gepufft werden.

Nein nein, Halt: Ich denke positiv und stelle schon mal das Bier kalt und halte den Rotwein bereit.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.


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Foto: Baader Bank

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